In Yverdon-les-Bains kam es letzte Woche zu einem Gewaltverbrechen. Ein Familienvater hat gemäss neuen Erkenntnissen der Polizei seine Ehefrau und seine drei Töchter erschossen. Dann hat er das Haus, in dem die Familie wohnte, angezündet und sich selber das Leben genommen. Über die Ursachen von Tötungsdelikten in Partnerschaften forscht Nora Markwalder. Sie ist Assistenzprofessorin für Strafrecht und Kriminologie an der Universität St. Gallen.
SRF News: Was ist über den Fall in Yverdon-les-Bains bekannt?
Nora Markwalder: Es scheint, als handelt es sich um einen traurigen, aber klassischen Fall eines Homizid-Suizids. Das ist ein Tötungsdelikt von verschiedenen Familienmitgliedern mit anschliessendem Suizid des Täters.
Die Mutter hatte gemäss den Medien in der Westschweiz gegenüber Dritten angekündigt, dass sie sich trennen wolle. Ist das ein Risikofaktor für solche Gewalttaten?
Die Forschung zeigt, dass viele Tötungsdelikte innerhalb der Partnerschaft aufgrund eines Trennungswunsches des Partners oder der Partnerin passieren. Normalerweise ist es der Trennungswunsch der Frau, die dann auch Opfer dieser Delikte wird. Der Risikofaktor einer Trennung, einer gewünschten oder einer bereits vollzogenen, ist ein ganz grosser, wenn nicht der grösste Risikofaktor für ein solches Tötungsdelikt.
Stellen auch andere Faktoren ein Risiko für ein solches Tötungsdelikt dar?
Bei allgemeinen Tötungsdelikten ist auch die vorgängige Gewalt ein Risikofaktor. Häufig kommen eine schwierige Beziehung, eine psychische Belastung oder Alkohol- und Drogenbelastung des gewaltausübenden Partners vor. Bei den Homizid-Suizidfällen ist das manchmal etwas anders. Sie stellen eine spezifische, separate Kategorie dar. Da haben wir auch andere Merkmale und nicht so häufig bekannte vorgängige Gewalt.
Was für einen Platz nehmen Tötungsdelikte innerhalb von Partnerschaften in der Schweizer Kriminalstatistik ein?
Einen grossen. Die Partnertötungen machen einen Anteil von etwas über 40 Prozent an der Gesamtanzahl der Tötungsdelikte aus. Allerdings muss man das in Relation setzen. In den letzten Jahren sind Tötungsdelikte gegenüber Männern stark gesunken. Tötungsdelikte innerhalb der Familie und vor allem gegenüber Frauen hingegen etwas weniger.
Partnertötungen machen einen Anteil von etwas über 40 Prozent an der Gesamtanzahl der Tötungsdelikte aus.
Daher haben wir mittlerweile einen sehr hohen Anteil an Tötungsdelikten in der Partnerschaft an Frauen. Aber die absoluten Zahlen sind immer noch relativ tief. Wir haben nicht wahnsinnig viele Tötungsdelikte. Aber diejenigen, die wir haben, sind häufig Partnertötungen.
In der öffentlichen Debatte spricht man von Femiziden. Wie steht die Schweiz im Vergleich mit dem Ausland bezüglich solcher Femizide da?
In absoluten Zahlen und hochgerechnet auf die Bevölkerung werden in der Schweiz nicht mehr Frauen getötet als in anderen Ländern. Aber der Anteil der Frauen an der Gesamtzahl ist höher. Und daher sind wir im internationalen Vergleich teilweise auch das einzige Land, wo in gewissen Jahren sogar mehr Frauen getötet worden sind als Männer. Das ist eine sehr ausserordentliche Situation. Denn in der Regel werden Tötungsdelikte immer noch häufiger an Männern verübt als an Frauen.
Das Gespräch führte Andreas Stüdli.