20 Minuten dauert die Fahrt von der Basler Innenstadt zum Bahnhof St. Louis. Jahrelang arbeiteten die Basler Verkehrsbetriebe (BVB) zusammen mit den elsässischen Behörden an diesem Riesenprojekt. Vor knapp anderthalb Jahren wurde die erste Tramverbindung von Basel nach Frankreich eröffnet.
Für die Chauffeure fängt an der Grenze eine andere Welt an. Mehrmals pro Woche würden Übergriffe gemeldet, sagt Bruno Stehrenberger, Leiter Verkehr bei den BVB: «Ein grosser Teil sind Sachbeschädigungen am Tram. Einmal wurde der Führerstand blockiert, so dass der Tramführer nicht mehr zurückkonnte.» Aber auch Tramsurfen sei sehr verbreitet auf dieser Strecke.
Seit letztem Herbst begleiteten Sicherheitsleute das 3er-Tram abends über die Grenze. Vor allem Tramführerinnen wollten nicht mehr nach Frankreich fahren. Mit den Angriffen mit Laserpointern – eine Fahrerin musste mit Augenverletzungen ins Spital – sei aber eine rote Linie überschritten worden, sagt BVB-Sprecher Benjamin Schmid: «Das war der Punkt, an dem wir uns gesagt haben, jetzt geht es wirklich gegen Leib und Leben.»
Ein sicherer Betrieb sowohl für die Fahrgäste wie auch das Personal sei dadurch auf diesem Streckenabschnitt am Abend nicht mehr möglich. Auch auf dem Tramnetz auf Schweizer Boden würde manchmal etwas kaputtgemacht. Doch niemals so häufig wie auf der 3er-Tramlinie durch St. Louis. Und wenn einmal etwas passiere, greife die Polizei schnell ein.
Das Tram hält viermal auf französischem Boden. Eine Haltestelle ist Place Mermoz. Der Platz wird dominiert von etwas heruntergekommenen Wohnblöcken. Auf einer Bank sitzen breitbeinig ein paar Jugendliche. Sie würden rumhängen, sagt ein junger Mann im Kebabladen. Vor allem abends gebe es hier nichts anderes zu tun. Etwas Böses würden sie nicht tun.
Vor einem Café sitzt eine Gruppe junger Frauen. Sie habe hier nie Angst, sagt eine von ihnen. Sie kenne niemanden, der hier überfallen wurde. Die Angriffe mit dem Laserpointer seien schlimm. «Aber muss man deshalb gleich die Linie einstellen?» Sie frage sich, ob die Schweizer Angst vor ihnen hätten, von den Franzosen auf der anderen Seite der Grenze.
Jacques Laurent leitet den Quartiertreffpunkt direkt an der Tramlinie. Im Quartier lebten viele Migranten, sagt er. Probleme gäbe es ab und zu mit Jugendlichen, die sich selbst überlassen seien. Alles in allem sei es aber sehr ruhig hier. St. Louis sei nicht die Banlieue von Mulhouse oder Strassburg.
Die Angriffe auf die Tramführer seien punktuell, glaubt er. Ausgeübt von Jugendlichen, die nicht an die Folgen denken würden. Auch er versteht nicht, warum gleich der Trambetrieb abends eingestellt wurde. Auch die französischen Behörden reagierten überrascht auf den Entscheid. Sie warfen den Basler Verkehrsbetrieben deswegen sogar Vertragsbruch vor.
Die französischen Behörden stehen unter Druck. Sie wollen, dass das Tram auch abends wieder bis zum Bahnhof St. Louis fährt. Sie haben mehr Kontrollen und Videoüberwachung angekündigt. Denn auch wenn die Sicherheitslage auf beiden Seiten der Grenze unterschiedlich beurteilt wird, entscheiden letztlich die BVB, wann das Tram wieder nach St. Louis fahren soll.