Knapper geht es nicht: Der Nationalrat hat sich am Mittwoch mit 92 zu 91 Stimmen (bei acht Enthaltungen) für eine staatliche Benzinpreis-App ausgesprochen. Auf dieser App würden Autofahrerinnen und Autofahrer künftig die günstigsten Tankstellen in ihrer Region angezeigt bekommen. Das erhöhe den Preisdruck auf die Tankstellenbetreiber, argumentieren die Befürworter. Denn lediglich mit den analogen Anzeigetafeln sei die Transparenz und damit der Wettbewerb eingeschränkt.
Die neue TCS-App verändert die Debatte
In der Herbst-Session hatte bereits der Ständerat einer anderen, aber gleichlautenden Motion zugestimmt – doch unter anderen Vorzeichen: Damals waren die horrenden Benzin- und Dieselpreise infolge des Krieges noch viel präsenter und es gab noch keine verlässliche Preisvergleichs-Möglichkeit. Vor gut zwei Wochen aber lancierte der private Verein Touring Club Schweiz (TCS) seinen Benzinpreis-Radar, der einen ähnlichen Service anbietet.
Wie stark diese Tatsache die nationalrätliche Meinung beeinflusst hat, ist unklar. Aber sie hat es auf jeden Fall: Denn statt über die Margen der Tankstellen, die Wettbewerbsintensität in der Branche und die Kosten für eine allfällige App zu streiten, verlagert sich die Debatte hin zur Kernfrage, ob der Staat hier eingreifen solle, wenn es doch schon ein vergleichbares, privates Angebot gebe.
Diese Apps und diese Rechner funktionieren nur dann und finden Akzeptanz, wenn die Daten immer aktuell sind.
Preisüberwacher nicht überzeugt von TCS-Lösung
Für Preisüberwacher Stefan Meierhans ist der Fall klar. Nur der Staat habe die Mittel, verlässliche Preisdaten der grossen Tankstellenbetreiber wie Shell, BP, Avia und Co. einzufordern. Dem TCS gelang es bisher nicht. Er setzt mehrheitlich auf Preisbeobachtungen seiner App-User. Meierhans argumentiert: «Diese Apps und diese Rechner funktionieren nur dann und finden Akzeptanz, wenn die Daten immer aktuell sind. Und das ist einfach nicht sichergestellt bei solch freiwillig basierten Systemen.»
Wir haben vor sechs Monaten viele Anfragen aus der Bevölkerung bekommen, weil die Preise durch die Decke gingen.
TCS-Geschäftsführer Jürg Wittwer sieht das freilich anders: «Wir sind der Meinung, dass es auch ohne Gesetze und Bundesämter geht, und darum sind wir mit unserer Lösung auch schon live.» Warum kommt der TCS erst jetzt mit seiner Transparenz-Initiative? Wollte er Einfluss auf die Parlamentsdebatte nehmen? Jürg Wittwer verneint: «Wir haben vor sechs Monaten viele Anfragen aus der Bevölkerung bekommen, weil die Preise durch die Decke gingen. Und dann haben wir uns gesagt: Jetzt machen wir etwas.»
Wie dem auch sei: Dank privater und vielleicht staatlicher Bemühungen dürfte nun etwas Bewegung in die Benzinpreis-Transparenz kommen. Ob der Ständerat seine Meinung aufgrund der neuen Situation nochmals ändert, zeigt sich dann in der Frühlingssession.