In Zeiten der Bedrohung durch das Coronavirus ist Abstandhalten das Gebot der Stunde. Besonders schwer fällt dies, wenn es um das endgültige Abschiednehmen geht. Beerdigungen sind nur noch im engsten Familienkreis erlaubt – die Trauer mit und in der Gemeinschaft ist massiv eingeschränkt.
Pfarrerin Christine Schmid aus der Berner Vorortsgemeinde Bolligen und Pfarrer Bernhard Jungen aus der Nachbargemeinde Ittigen sagen beide: Die Situation ist für die Trauernden sehr belastend. Christine Schmid kann es noch immer kaum fassen: «Es hätte auch kein Mensch gedacht, dass es am Sonntag keinen Gottesdienst mehr gibt. Plötzlich ist alles über den Haufen geworfen. Ich hätte das nie für möglich gehalten.»
Ich merke, dass feine Gesten nun umso intensiver wahrgenommen werden.
Eine Abdankung im kleinen Kreis – nicht selbst gewählt, sondern verordnet. Ohne Freunde oder Bekannte. Plötzlich fehle da etwas, das vorher noch da war, sagt Pfarrer Bernhard Jungen. Die Gemeinschaft fehle, die Anteilnahme von vielen, die einen Menschen ein Leben lang begleitet haben.
Er sagt, es würde bei vielen Trauerfeiern eine grosse Lücke entstehen: «Bei Leuten, die einen grossen Kreis von Freunden, Verwandten und Bekannten gehabt haben, da will dieser grosse Kreis auch Abschied nehmen. Verpasste Trauer nachzuholen, ist nicht so einfach wie wir denken.»
Christine Schmid findet es grundsätzlich nicht entscheidend, wie viele Leute an einer Trauerfeier teilnehmen. «Egal, wie viele es sind, es gibt eine unglaubliche Kraft, wenn man zusammensteht und Abschied nimmt.» Nun seien die Leute, die anwesend sein können, umso mehr gefordert – oder auch umso präsenter.
Auch die Abwesenden sind anwesend
Man dürfe auch nicht vergessen, dass viele Trauernde an Beerdigungen teilnehmen, auch wenn sie nicht vor Ort seien. Auch diese würden die Trauerfeier mittragen, «und zünden vielleicht zu Hause eine Kerze an.»
Es ist immer persönlich, auch jetzt mit den Einschränkungen.
Christine Schmid hat zum Zeitpunkt des Gesprächs Anfang April bereits zwei Abdankungen mit den Einschränkungen abgehalten. Bei beiden hätten die Trauernden die Situation akzeptiert und gemeinsam mit ihr das Beste daraus gemacht. Jede Trauerfeier sei anders: «Es ist immer persönlich, auch jetzt mit den Einschränkungen.»
Bernhard Jungen fügt an, Seelsorge sei immer das Reagieren auf eine Situation. «Nun ist es halt diese Situation, auf die wir reagieren müssen.» Schwierig sei das Fehlen von Berührungen, so Jungen weiter. Die Hand reichen zum Kondolieren geht ebenso wenig wie die Umarmung zum Trösten.
«Ich merke jedoch, dass feine Gesten nun umso intensiver wahrgenommen werden.» Eine Verbeugung, ein Blick oder ein Winken würden dem Gegenüber signalisieren: «Ich bin dir verbunden, ich bin dir nahe.» Und diese Gesten seien nun wichtig, so Bernhard Jungen.
Soll man die Trauerfeier im grossen Kreis nachholen?
Viele planen nun, zuerst im kleinen Kreis Abschied zu nehmen und dann später noch eine grössere Trauerfeier abzuhalten. Pfarrer Bernhard Jungen findet dies problematisch: «Man sollte nicht zu intensiv an die Zukunft denken. Niemand weiss, wo wir dann stehen und was wir für Bedürfnisse haben.»
Christine Schmid sagt, so etwas könne jedoch durchaus Sinn ergeben. Je nach Situation könne es helfen, später noch eine Art Dankesfest abzuhalten, zu dem man alle einlädt, die kommen wollen. Auch das könne eine neue Form des Abschiednehmens sei, die die Zeit von Corona hervorbringe.