Das Departement von Justizministerin Karin Keller-Sutter, zu dem das Staatssekretariat für Migration SEM gehört, ist seit dem Einmarsch Russlands in der Ukraine besonders gefordert.
«Es sei eine Herkulesaufgabe. Seit dem Zweiten Weltkrieg hat es nie mehr eine solche Fluchtbewegung gegeben und vor allem nicht mit solcher Geschwindigkeit», stellte Keller-Sutter am Freitag an einem informellen «Werkstattgespräch» in St. Gallen fest.
Täglich 1000 Anträge – bis auf Weiteres
Eindrückliche Zahlen zu den Auswirkungen auf die Schweiz lieferte bereits am Vortag der Krisenstabs Asys im SEM: Täglich klopften aktuell rund tausend Personen an und eine Veränderung sei nicht in Sicht. Mit weiterhin 15'000 bis 30'000 Personen monatlich sei zu rechnen.
Bei dieser riesigen Zahl von Geflüchteten stossen Bund, Kantone und Gemeinden bei der Unterbringung zunehmend an ihre Grenzen. Im Moment gibt es auf Bundesebene eine Reserve von gerade einmal mal 2500 Betten. Noch ist die Solidarität der Schweizer Bevölkerung gross.
Unberechenbare Situation
Muss man aber nicht befürchten, dass die Stimmung kippt, wenn die Flüchtlingsbewegung in diesem Ausmass anhält? «Diese Befürchtung ist berechtigt und ich habe sie auch. Deshalb muss man auch sorgfältig sein», sagt Keller-Sutter dazu.
Der Justizministerin ist es deshalb ein grosses Anliegen, dass alle Ankommenden überprüft und registriert werden, was eben eine gewisse Zeit in Anspruch nehme: «Wir müssen wissen, wer im Schengenraum ist. Darüber muss man gegenüber der Bevölkerung Rechenschaft ablegen können. Auf europäischer Ebene soll es eine gemeinsame Datenbank über die Geflüchteten aus der Ukraine geben. Das ist sehr wichtig.»
Wir müssen wissen, wer im Schengenraum ist. Darüber muss man gegenüber der Bevölkerung Rechenschaft ablegen können.
Private Unterbringung – kaum Dauerlösung
Keller-Sutter bereitet sich zudem auf alle möglichen Szenarien vor. Zu diesem Zweck hat sie den ehemaligen Zürcher Polizeikommandanten Thomas Würgler beauftragt, Handlungsoptionen auszuarbeiten. Sie geht auch unter anderem davon aus, dass das Modell der Unterbringung von Geflüchteten bei Privaten auf Dauer kaum tragfähig sein werde.
Es gebe natürlich auch immer wieder eine gewisse staatspolitische Kritik an der privaten Unterbringung, so die Bundesrätin und ergänzt: «Ich denke, dass man sich nicht langfristig darauf verlassen kann. Wir sind sehr dankbar, dass das jetzt möglich ist, aber man braucht auch hier Alternativen.»
Wir sind sehr dankbar, dass das jetzt möglich ist, aber man braucht auch hier Alternativen.
Was passiert nach drei Monaten?
Der ehemalige Polizeikommandant Würgler soll also auch aufzeigen, was es bedeuten würde, wenn in einigen Wochen viele Private nicht mehr bereit sein sollten, Ukrainerinnen und Ukrainer bei sich wohnen zu lassen.
Die Flüchtlingshilfe sei bekanntlich verantwortlich für die private Unterbringung und vereinbare mit den Gastfamilien drei Monate, erklärte Keller-Sutter. Wobei es Gastfamilien gebe, die auch in anderen Situationen länger Flüchtlinge untergebracht hätten. Ob das überall gehe, sei aber offen: «Man muss in Alternativen denken und überlegen, was passiert, wenn diese drei Monate vorbei sind.»