Zum Inhalt springen

Ukraine-Gipfel Gefahr von Spionage und Cyberangriffen auf dem Bürgenstock

Der Bürgenstock wird zur Festung. Die Sicherheitsdienste zeigen sich zuversichtlich, dass die hochrangigen Gipfel-Teilnehmenden ausreichend geschützt sind.

Aus über 90 Ländern reisen Delegationen in die Schweiz. Unter anderem der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz, der französische Staatspräsident Emmanuel Macron oder die US-amerikanische Vizepräsidentin Kamala Harris werden sich auf dem Bürgenstock zum Ukraine-Gipfel einfinden.

Juliette Noto, Vizedirektorin des Nachrichtendienstes des Bundes, sagt, das seien alles Personen, die man besonders schützen müsse. Die Bedrohungen kennt der Nachrichtendienst aber: «Dieser Anlass ist speziell, aber die Behörden sind darauf vorbereitet und kennen auch die Bedrohungen sehr gut.» Diese möglichen Bedrohungen sind unter anderem Terroranschläge oder Cyberangriffe.

Die russische Seite steht natürlich im Zentrum der Aufmerksamkeit.
Autor: Juliette Noto Nachrichtendienst des Bundes

Die Schweiz stellt sich auf jedes der Szenarien ein, wie der gemeinsame Auftritt von verschiedenen Bundesbehörden am Dienstag demonstrieren sollte. Auch Spionageversuche will Noto nicht ausschliessen. Agenten anderer Nachrichtendienste könnten sich in ausländische Delegationen einschleusen. So könnte Russland beispielsweise versuchen, den Gipfel zu infiltrieren. Noto sagt dazu: «Die russische Seite steht natürlich im Zentrum der Aufmerksamkeit.»

Die Behörden sagen nicht, wie viele Einsatzkräfte am kommenden Wochenende im Einsatz stehen werden. Es ist einzig bekannt, dass die Armee 4000 Soldatinnen und Soldaten aufgeboten hat. Damit die Sicherheitskräfte jederzeit miteinander kommunizieren können, hat das Bundesamt für Bevölkerungsschutz auf dem Bürgenstock ein autonomes Funknetz aufgebaut. Dieses werde permanent überwacht. Auch die Zufahrt auf den Bürgenstock wird in den nächsten Tagen streng kontrolliert.

Cyberangriffe sind so gut wie sicher

Roman Hüssy vom Bundesamt für Cybersicherheit geht davon aus, dass es zu Angriffen im Internet kommen werde. Dies sei praktisch sicher. Hüssy konkretisiert das Gefahrenpotenzial: «Insbesondere in der zweiten Hälfte der Woche gehen wir von Störmanöver aus, um den Gipfel zu stören.» Daher seien die IT-Spezialistinnen und -Spezialisten des Bundes in erhöhter Alarmbereitschaft. Russland habe zudem bereits damit begonnen, Desinformationen zu streuen und werde weiterhin versuchen, den Ukraine-Gipfel zu diskreditieren.

Welche Gefahr ist die grösste?

Box aufklappen Box zuklappen
Erich Schmidt-Eenboom im Anzug schaut in die Kamera und lächelt.
Legende: Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenbom (im Bild) vermutet Spionage am Ukraine-Gipfel. imago images/Eventpress/Stauffenberg

Die Schweizer Sicherheitsdienste sagen, sie seien gut vorbereitet auf mögliche Gefahren am Ukraine-Gipfel. Mit welchen Gefahren zu rechnen sei und mit welchen eher nicht, erklärt der deutsche Nachrichtendienst-Experte Erich Schmidt-Eenboom.

SRF News: Welches ist die grösste Gefahr am Ukraine-Gipfel?

Erich Schmidt-Eenboom: Terroranschläge sehe ich nicht als grosse Gefahr. Dafür ist die ganze Gegend zu sehr abgeriegelt. Ortsfremde Personen würden sofort auffallen und von den Sicherheitskräften verhaftet werden. Ich gehe auch nicht davon aus, dass die Russische Föderation mit aggressiven Cyberattacken auf die Konferenz einwirken wird – insbesondere im Hinblick auf die geplante Nachfolgekonferenz in Saudi-Arabien, an der sowohl Russland als auch die Ukraine teilnehmen sollen. Der Schwerpunkt wird jetzt eher auf Spionage, also auf der Aufklärung der Konferenzabläufe, liegen.

Wie könnten Russland und China dabei vorgehen?

Russland und der chinesische Nachrichtendienst können zwar nicht mit eigenen Agenten agieren. Aber es besteht die Möglichkeit, dass sie versuchen, Informationen über Delegationen kremltreuer Staaten wie Südafrika zu erhalten.

Spionage stellt also eine grössere Gefahr dar als Cyberattacken oder Terroranschläge. Kann man denn nicht verhindern, dass es auf dem Bürgenstock zu Spionage kommt?

Auf dem Bürgenstock wird es von nachrichtendienstlichen Aktivitäten nur so wimmeln. Nachrichtendienste aus verschiedenen Nationen werden dort versuchen, Gesprächspartner abzuschöpfen, sich gegenseitig aus der Reserve zu locken und dergleichen. Das ist jedoch ganz normale nachrichtendienstliche Aufklärungsarbeit und keine besondere Bedrohung.

Das Gespräch führte Can Külahcigil.

HeuteMorgen, 12.06.2024, 06:00 Uhr

Meistgelesene Artikel