Sobald ein Impfstoff gegen das Coronavirus gefunden ist, wird die Frage eines Impfzwangs heftig diskutiert werden. Einen solchen Impfzwang kennt die Schweiz allerdings nicht.
Der Staat kann also niemanden zur Impfung zwingen, aber der Bundesrat kann ein Impfobligatorium beschliessen. Eine solche Impfpflicht dürfte bereits ab der «besonderen Lage» verordnet werden. So will es das Epidemiengesetz.
Auch wenn der Bund niemanden zwingen kann, so ist ein Obligatorium verbindlich gemeint. Rechtsprofessor Lorenz Langer von der Universität Zürich präzisiert: «Müssen muss man auf jeden Fall – wie beim Sicherheitsgurt und beim Helmobligatorium. Wer es nicht tut, kann gebüsst werden. Eine Zwangsimpfung ist aber nicht zulässig.»
Müssen muss man auf jeden Fall – wie beim Sicherheitsgurt und beim Helmobligatorium. Wer es nicht tut, kann gebüsst werden.
Obligatorium nur für bestimmte Personengruppen
Das Impfobligatorium im Epidemiengesetz gilt aber nicht für alle, sondern nur für gefährdete Bevölkerungsgruppen, für exponierte Personen und für Personen, die bestimmte Tätigkeiten ausüben.
Wie diese Personen gebüsst werden, wenn sie eine Impfung verweigern, lässt das Epidemiengesetz offen. Es wird zwar eine Reihe von Sanktionen gegen verschiedene Verstösse aufgelistet, aber kein Wort darüber, was passiert, wenn jemand eine obligatorische Impfung verweigert.
Möglich: Busse wegen Ungehorsams
Rechtsstaatlich könne das problematisch sein, sagt Jurist Langer, der die Rechtsgeschichte des Impfens erforscht: «Das Gesetz muss Sanktionen klar statuieren, damit die Betroffenen genau wissen, was passiert, wenn sie etwas nicht befolgen.» Es gäbe aber die Möglichkeit im Strafrecht, die Verweigerung einer Impfung als Ungehorsam gegen amtliche Verfügungen einzustufen. Ein solcher Ungehorsam kann gebüsst werden.
Nicht nur der Bund, sondern auch die Kantone selber könnten ein Impfobligatorium beschliessen. Dazu äussern sich die grösseren Kantone sehr zurückhaltend, es sei auch noch zu früh.
Kantone allenfalls für nationale Lösung
Die Waadt etwa, vom Coronavirus stärker betroffen als andere Kantone, will mögliche Impfskeptiker lieber mit Aufklärung überzeugen und nicht mit Zwang. Kantonsarzt Karim Boubaker: «Wir versuchen immer zu überzeugen, dass eine Impfung für einen selbst wie auch für die Allgemeinheit nützlich ist.»
Bei einer Pandemie wie Corona sei eine kantonale Durchsetzung auch wenig sinnvoll, schreiben die Kantone St. Gallen und Aargau auf Anfrage. Das müsse national diskutiert und entschieden werden.
Obligatorium – so unpopulär wie ungewiss
Dass der Bund ein solches Obligatorium beschliesst, ist aus heutiger Sicht unwahrscheinlich. Man habe noch nicht einmal darüber diskutiert, heisst es beim Bundesamt für Gesundheit BAG. Ein Impfobligatorium sei keine populäre Massnahme, betont Rechtsprofessor Langer. Die persönliche Freiheit werde heute höher gewichtet als das öffentliche Interesse.
Fragen und Antworten zum Epidemiengesetz
Das letzte nationale Impfobligatorium wurde 1944 für ein paar Jahre eingeführt, gegen die Pocken bei Kindern. In den Kantonen Genf und Neuenburg ist die Diphterie-Impfung für Kinder zwar heute noch obligatorisch, aber das Obligatorium wird von beiden Kantonen nicht mehr durchgesetzt.