Der Polizei-Würgegriff ist in aller Munde. Seit dem gewaltsamen Tod von George Floyd haben zahlreiche US-Bundesstaaten die umstrittene Festnahme-Methode verboten. In New York werden für Polizisten sogar Haftstrafen von bis zu 15 Jahren eingeführt, wenn sie durch einen Würgegriff Menschen verletzen oder gar töten.
Die Würgegriffe der Polizei werden schon seit Jahren angeprangert – ihr komplettes Verbot wird nun auch in Europa diskutiert. So soll der Würgegriff beispielsweise in Frankreich bald verboten werden.
«In der Schweiz verpönt»
In der Schweiz ist der Würgegriff schon seit Jahren tabu. «Die Würgegriff-Technik ist in der schweizerischen Polizeipraxis verpönt und wird nicht angewendet», sagt Urs Hofmann, Präsident der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD) zu SRF News.
Ein gesetzliches Verbot wird deshalb in der Schweiz nicht angestrebt: «Die Würgegriff-Technik wird in der polizeilichen Ausbildung nicht gelehrt. Vor diesem Hintergrund ist der Würgegriff auch auf der politischen Ebene kein Thema.»
Rolf Zopfi von der Menschenrechtsorganisation Augenauf bestätigt, dass der Würgegriff in der Schweiz nicht oder höchst selten angewendet wird: «Es ist offensichtlich, dass die Polizeien diese Festnahme-Methode in der Ausbildung nicht mehr lernen. Ich habe den Würgegriff in letzter Zeit wenig gesehen.»
Es ist offensichtlich, dass die Polizeien diese Festnahmemethode in der Ausbildung nicht mehr lernen. Ich habe den Würgegriff in letzter Zeit wenig gesehen.
Zopfi weist jedoch darauf hin, dass es vor 20 Jahren Menschenrechtsorganisationen wie Augenauf waren, welche die Polizei erst auf die Gefährlichkeit des Würgegriffs aufmerksam gemacht hätten. Vor wenigen Jahren noch sei auch in der Schweiz das Knie des Polizisten auf dem Hals bei Verhafteten in Bauchlage zu sehen gewesen, genau wie in Minneapolis.
«Brust und Hals tabu»
Festnahmen können schnell eskalieren – das ist nicht erst seit Floyds Ausruf «I can’t breathe» bekannt. Im schlimmsten Fall droht der «lagebedingte Erstickungstod» (Positional Asphyxia Syndrom, PAS).
Darum lernen Schweizer Polizeiaspiranten während einer zweijährigen Ausbildung akribisch, was bei Festnahmen zu unterlassen ist.
«Für Schweizer Polizisten sind Brust und Hals tabu», erklärt Alex Birrer, Direktor der interkantonalen Polizeischule Hitzkirch (IPH). «Drückt man auf den Brustkorb, kann es zu Atemnot kommen. Drückt man auf den Hals, wird die Sauerstoffversorgung zum Hirn unterbunden.»
Wenn die Handschellen angelegt sind, muss der Verhaftete sofort in Seitenlage gebracht werden.
In Hitzkirch (LU) wird gelehrt, wie der Polizist bei einer «Neutralisierung» sein Knie richtig auf das Schulterblatt des Verhafteten in Bauchlage platziert. So gebe es weder auf den Hals noch auf den Brustkorb Druck.
Birrer erklärt: «Diese Arretierung muss sehr schnell gehen, wenige Sekunden, weil erregte Personen in Bauchlage innert weniger Minuten in Atemnot geraten könnten. Wenn die Handschellen angelegt sind, muss der Verhaftete sofort in Seitenlage gebracht werden.»
Verbot verlangt
Laut Birrer wird der Würgegriff in der Schweiz in keinem Polizeikorps angewendet. «Die Gefahren für den Verhafteten sind zu gross.» Der Würgegriff sei in der Schweiz selbst bei Notwehr nicht zulässig.
Das geht Zopfi von Augenauf zu wenig weit. «Der Würgegriff soll bei den Schweizer Polizeien nicht nur verpönt sein, sondern in allen polizeilichen Dienstanweisungen auch explizit verboten werden.»