Im Fotovoltaiklabor der Berner Fachhochschule testen Christoph Bucher und seine Assistenten, wie Solaranlagen reagieren, wenn viel Strom auf einmal eingespeist und das Netz überlastet wird. Genau das passiert, wenn immer mehr Solaranlagen gleichzeitig viel Energie produzieren, zum Beispiel an einem Mittag im Sommer.
Der Professor für Fotovoltaiksysteme ist sich bewusst, dass die Netze wegen des Solarbooms ausgebaut werden müssen. Aber er plädiert für einen intelligenten Ausbau: «Wenn wir es gleich machen wie in den letzten 50 Jahren, dann müssen wir sehr viel ausbauen. Wenn wir es intelligent machen, dann braucht es deutlich weniger Netzausbau.»
Bucher lanciert eine umstrittene Forderung: Die Solaranlagen sollen bei Bedarf begrenzt werden. Es sei nicht sinnvoll, den Solarstrom immer ins Netz einzuspeisen. «Ich weiss, ich mache mich unbeliebt bei den Solaranlagenbetreibern, wenn ich sage, jede Kilowattstunde Solarstrom kann in Zukunft nicht mehr ins Netz eingespeist werden.»
Früher sei Solarstrom etwas Seltenes und Wertvolles gewesen. Man habe alles integriert. Das seien auch die gesetzlichen Grundlagen gewesen. «Doch heute haben wir so viel Solarstrom; wir haben schon eine doppelt so hohe Leistung der Solarkraftwerke wie von den Kernkraftwerken.» Bucher betont: Betreiber von Photovoltaikanlagen würden nur wenig Energie verlieren, wenn sie die Mittagsspitzen nicht einspeisen.
Jede Solaranlage mit kleinem Computer
Wie kommt das bei der Solarbranche an, deren Boom dafür verantwortlich ist, dass das Netz ausgebaut werden muss? Helion-Geschäftsführer Noah Heynen begrüsst den Vorschlag und erklärt, die technischen Voraussetzungen für die Drosselung der Solaranlagen seien bereits vorhanden.
«Sie können sich vorstellen, dass wir in jedem Haus einen kleinen Computer installieren. Mit diesem können wir die Fotovoltaikanlage steuern», sagt Heynen. Wenn zu viel Strom im Netz sei oder es zu viel Energie im Gesamtsystem habe, könnten sie die Anlage punktuell herunterregeln.
Die gesetzlichen Grundlagen, dass die Solaranlagen bei beispielsweise 70 Prozent abgeregelt werden können, wird das neue Stromgesetz liefern, das jetzt in der Umsetzung ist. Darauf wartet auch die BKW, die grösste Verteilnetzanbieterin der Schweiz. Auch sie muss ihr Netz ausbauen, 70 Prozent des Ausbaubedarfs ist wegen des Photovoltaikbooms.
«Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass man das Thema PV oder die Leistungsbegrenzung von PV-Anlagen rasch umsetzen kann. Das nimmt etwas Druck auf unseren Bedarf, das Netz auszubauen», erklärt Andreas Ebner, Leiter Netzplanung und Projekte bei der BKW. Zudem würden auch Kundinnen profitieren, da die Netzkosten und auch der Ausbau über den Strompreis wieder von den Kunden bezahlt werden.
Beim Energieversorger Groupe E versucht man, mit flexiblen Tarifen die Haushalte zu motivieren, ihren Strom zu bestimmten Zeiten zu beziehen. Der flexible Tarif gilt nicht für den Strom, sondern für die Nutzung der Netze. Der Strompreis besteht aus diesen Komponenten und weiteren Abgaben.
«Dieser flexible Tarif variiert alle 15 Minuten und hat einen anderen Preis. So können die Kunden dann konsumieren, wenn es für das Netz geht und dann sind die Preise tiefer», erklärt Peter Cuony, Leiter Produkte.
Die dynamischen Tarife kommen auch bei Fotovoltaikprofessor Bucher gut an. Sein Rezept für einen intelligenten Ausbau der Netze lautet: Den Solarstrom möglichst lokal brauchen, Mittagsspitzen nicht ins Netz einspeisen und flexible Tarife.