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Leihmutterschaft – pro und contra
Aus Echo der Zeit vom 09.11.2021. Bild: Keystone
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Umstrittene Leihmutterschaft Milliardengeschäft mit Leihmüttern – Ausbeutung inbegriffen

Paare mit Kinderwunsch weichen ins Ausland aus. Das ist die Realität. Ist die Schweiz mit ihrem Verbot noch zeitgemäss?

Carolin Schurr ist Professorin für Sozial- und Kulturgeografie an der Universität Bern, aber vor allem auch Feministin. «Wie kann man ein Kind für jemand anderen austragen? Das gehört klar verboten», dachte sie anfänglich und war froh über die Verbote für Leihmutterschaft in der Schweiz oder in Deutschland.

Als sie dann Paare nach Mexiko zu Leihmüttern begleitete, änderte ihre Meinung. Sie habe deren Bedürfnisse nachvollziehen können. Genauso wie jene der Mexikanerinnen, die ihren Kindern ein besseres Leben ermöglichen wollten. Sie habe erkannt, dass Leihmutterschaft nicht per se gut oder böse sei, sagt Schurr heute: «Wir müssen darüber nachdenken, was diese reproduktive Arbeit ausmacht und welchen Wert sie finanziell und gesellschaftlich haben soll.»

Wir müssen darüber nachdenken, was diese reproduktive Arbeit ausmacht und welchen Wert sie finanziell und gesellschaftlich haben soll.
Autor: Carolin Schurr Professorin für Sozial- und Kulturgeografie, Universität Bern

Auch die Ethikerin Ruth Baumann-Hölzle befasst sich seit Jahren mit der modernen Fortpflanzungsmedizin. Das Verbot der Leihmutterschaft sei richtig und müsse so bleiben: «Wie weit wir auch die Fortpflanzungsmedizin noch kommerzialisieren wollen – mit der Leihmutterschaft wird nochmals eine sehr starke rote Linie überschritten.»

Mit der Leihmutterschaft wird nochmals eine sehr starke rote Linie überschritten.
Autor: Ruth Baumann-Hölzle Ethikerin

Die Leihmutterschaft ist weltweit ein Milliardengeschäft. Zu den grössten Märkten gehören Indien, die Ukraine und die USA. Hier verdienen vor allem Vermittlungsagenturen und Anwälte und Anwältinnen.

«Altruistische Modelle»

In Ländern wie Grossbritannien, Kanada oder Australien ist nur die «altruistische Leihmutterschaft» erlaubt: Niemand darf Geld verdienen, nur Spesen dürfen verrechnet werden. Laut Baumann-Hölzle funktioniert das nicht: Solche altruistischen Modelle würden immer zuerst ins Feld geführt, um quasi ein Gesetz für die Leihmutterschaft zu öffnen. Weil das Modell in der Praxis aber kaum existiere, werde es rasch kommerzialisiert.

Auch Schurr beurteilt das unentgeltliche Modell als untauglich. Denn finanzielle Anreize spielten für Leihmütter sehr wohl eine Rolle: «Die Bezahlung durch die Wunscheltern passiert einfach hintenrum – mit der Einladung zu Ferien, grossen Reisen oder mit Gutscheinen.»

Rechtlicher Schutz

Deshalb sei es wichtig, Leihmütter angemessen zu bezahlen und rechtlich abzusichern, betont Schurr: «Es braucht – wie bei der Sexarbeit – klare Regeln, dass diese Personen geschützt sind. Dazu gehören auch die Gesundheitskosten der Leihmutter nach der Geburt.»

Es braucht – wie zum Beispiel bei der Sexarbeit – klare Regeln, dass diese Personen geschützt sind.
Autor: Carolin Schurr Professorin für Sozial- und Kulturgeografie, Universität Bern

Ausbeutung weit verbreitet

Auch Baumann-Hölzle plädiert für mehr Rechte und Schutz: «Ein Blick auf die Situation der Leihmütter zeigt international, dass es in den meisten Fällen eine Ausbeutung ist.» Aber auch das Kindeswohl gelte es zu schützen. Etwa, ob die Eltern die Leihmutter als Familiengeheimnis hüteten oder dazu stünden. Und wie oder ob sie überhaupt eine Beziehung zur Leihmutter eingingen.

Die ganze Entkoppelung zwischen biologischer und sozialer Elternschaft sorge für viele neue Probleme, so Baumann-Hölzle. Auch deshalb kommt für Baumann-Hölzle eine Legalisierung der Leihmutterschaft in der Schweiz nicht in Frage.

Die ganze Entkoppelung zwischen biologischer und sozialer Elternschaft sorgt für viele neue Probleme.
Autor: Ruth Baumann-Hölzle Ethikerin

Schurr ist hier offener. Die Frage sei doch viel eher, wer sich in der Schweiz als Leihmutter bereitstellen würde und wenn überhaupt, für welchen Preis: «Wahrscheinlich wäre es dann einfach unbezahlbar.» So würden Schweizer Paare wahrscheinlich auch in Zukunft weiter ins Ausland reisen, um sich den Kinderwunsch zu erfüllen. Allein 2019 haben die Schweizer Zivilstandsämter 48 Kinder aus Leihmutterschaften registriert.

In einem Punkt sind sich beide Expertinnen einig: Die Schweiz muss sich international für bessere Standards für Leihmutterschaften einsetzen.

Echo der Zeit, 09.11.2021, 18:00 Uhr

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