Ein stürmischer Sonntag, Anfang November. In einer prächtigen Villa mitten in Basel treffen sich rund 50 Personen zu einem konspirativen Treffen. Den genauen Ort haben sie erst kurz vor der Veranstaltung erfahren, nachdem sie die Anmeldegebühr bezahlt hatten.
Drei Redner aus dem sogenannten «Königreich Deutschland» sind angereist. Es ist die Auftaktveranstaltung zum Ausbau des Pseudostaates in der Schweiz.
In den Augen der Reichsbürger ist das globale Finanzsystem die Ursache aller Probleme und dient dazu, die Menschen zu kontrollieren. Dies hat sich in den Augen der Staatsverweigerer vor allem während der Corona-Pandemie nochmals verdeutlicht. «Früher wollte man bis ins Wohnzimmer reinregieren, heute will man bis unter die Haut reinregieren», beklagte sich einer der Redner vom KRD – eine Anspielung auf die Covid-Massnahmen.
Früher wollte man bis ins Wohnzimmer reinregieren, heute will man bis unter die Haut reinregieren.
Um sich der vermeintlichen Kontrolle des Finanzsystems zu entziehen, hat sich das KRD kurzerhand eine eigene Währung geschaffen. Diese will man nun auch in der Schweiz etablieren – was kein Zufall ist. Denn in den Augen der Reichsbürger stehen die germanischen Völker über den anderen – eine Aussage, die ihr völkisch-nationalistisches Weltbild widerspiegelt.
So sagt einer der Hauptredner: «Die germanischen Völker haben eine ganz bestimmte Berufung. Und die liegt darin begründet, dass wir die höchste Anbindung zum Schöpfer in uns tragen, von allen Völkern auf dieser Erde.»
Die germanischen Völker haben eine ganz bestimmte Berufung. Wir tragen die höchste Anbindung zum Schöpfer in uns.
Die Anhänger des KRD weigern sich oft, Steuern und Abgaben zu bezahlen. Sie sprechen dem Staat die Existenzberechtigung ab.
Nun greift die Bewegung auf die Schweiz über. Hier will sich das «Königreich» ausbreiten und Geld eintreiben: mit einer eigenen Krankenkasse, einer Rentenversicherung und sogar einer Bank. Auch Seminare für die Betriebsgründung im «Königreich Deutschland» werden in Basel angeboten.
Die Mitglieder des Fantasiestaates wollen nichts weniger als den Umsturz des Finanzsystems. Der wichtigste Teil der Lösung: eine eigene Währung, die «Neue Deutsche Mark».
Damit kann man zum Beispiel auf dem Webshop des Pseudostaates einkaufen. Dort handelt die Szene mit selbst gestrickten Socken, Heiltinkturen und sogar Pferden.
Laut dem Extremismusexperten Dirk Baier geht es dem «Königreich Deutschland» vor allem ums Geldverdienen: «Es gibt hier Vermögen, die man abschöpfen kann. Es ist aus meiner Sicht eine Art Betrugsmasche.» Betrüger würden immer neue Märkte suchen, und deshalb kämen sie jetzt in die Schweiz. Er warnt davor, in diese Kassen einzuzahlen: «Letztendlich heisst es, dass man sein Geld in Monopoly-Geld investiert.»
Wer einmal «Neue Deutsche Mark» gewechselt hat, bekommt sie nicht mehr zurück. Mehrere Personen registrierten sich in Basel für das KRD – und eröffneten damit gleichzeitig ein Bankkonto. Bezahlt wurde vor Ort in Euro und Schweizer Franken. Verdeckte Aufnahmen vom Event zeigen dies.
Recherchen zeigen auch: Etliche Schweizerinnen und Schweizer haben bereits Bankkonten bei der königlichen Bank. Am Anlass in Basel werden die Pläne des KRD erläutert: Unter anderem sind mehrere «Umtauschstellen» in der Schweiz angedacht, wo Bargeld in die «königliche» Währung umgetauscht werden kann.
Für solche Geschäfte ist eine Bewilligung Pflicht. Diese besitzt die Bewegung weder in der Schweiz noch in Deutschland, wo sie ihren Sitz hat. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht hat Anfang des Jahres mehrere Dienstleistungen des KRD untersagt und auch Räumlichkeiten versiegelt.
Mehrere Schweizer melden sich bei der Veranstaltung zu Wort. Sie berichten von ihren Unternehmen, die sie von der Schweiz aus betreiben – im System der KRD. Ein Redner aus der Schweizer Szene erklärte vor dem Publikum, wie er sich von seinen Bürgerpflichten befreien will: «Im 2024 will ich keine Steuern mehr bezahlen. Aus dem Grund, dass ich diese Systemstrukturen nicht mehr finanzieren möchte. Ich will keine Krankenkasse mehr bezahlen. Ich möchte eine Lösung schaffen für alle Schweizer, Eidgenossen, einfach für alle in diesem Land, weil nur so kommt ein System an ein Ende, wenn es nicht mehr gefüttert wird.»
Die Freie Musikschule Basel, welche die Räumlichkeiten an die Reichsbürger vermietet hat, distanziert sich auf Anfrage entschieden vom Gedankengut. Man habe nicht gewusst, dass es sich um eine Reichsbürger-Veranstaltung handelte.
Vom «Königreich Deutschland» gab es bis Redaktionsschluss keine Stellungnahme.