2 Prozentpunkte Wähleranteil verlor die SP bei den Wahlen. Lediglich einen Verlust von 0.6 Prozent sagte das letzte Wahlbarometer von Sotomo im Auftrag der SRG voraus. Das liegt zwar im Fehlertoleranzbereich von +/-1.4 Prozentpunkten. Aber mit dermassen deutlichen Verlusten rechneten weder Beobachter noch die Sozialdemokratische Partei der Schweiz selber.
Staunen bei Wahlkampfchefs von SP und SVP
Deshalb sagt Nadine Masshardt, Wahlkampfleiterin der SP: «Es war für mich sehr erstaunlich und auch erschreckend, dass die Umfragen so deutlich daneben lagen.» Die SP hätte ihre Wählerschaft stärker mobilisieren können, wenn die Umfragen gezeigt hätten, dass die Partei verliere, glaubt sie.
Noch deutlicher wird SVP-Wahlkampfleiter Adrian Amstutz. Bei seiner Partei mass die Umfrage einen Wählerverlust von 2.1 Prozentpunkten – bei minus 3.8 stand der Zähler am Ende. Mit Wahlumfragen könne er nichts anfangen. «Ich halte das für eher im Mike-Shiva-Bereich anzusiedelnde Arbeit», sagt er. «Man sollte zumindest die mit Steuergeldern finanzierten Umfragen verbieten.» Damit meint er ein Umfrageverbot für die SRG, zu der auch SRF gehört.
Die Kritik von rechts an Meinungsumfragen, insbesondere an jenen der gebührenfinanzierten SRG, flammt regelmässig auf. Skepsis gegenüber Wahlumfragen generell gibt es heute aber auch beim Wahlsieger zu hören; beim Kampagnenleiter der Grünen, Balthasar Glättli. Umfragen könnten das Resultat beeinflussen, sagt er – vor allem kurz vor einem Wahltermin.
«Deshalb müsste man sich überlegen, ob man wie in anderen Ländern auch offiziell eine Frist setzt, zum Beispiel, indem man sagt, dass zwei bis vier Wochen vor den Wahlen keine neuen Umfragen mehr publiziert werden dürfen», so Glättli. Der Bundesrat hat sich aber stets gegen solche Verbote ausgesprochen. Meinungsumfragen würden Wahlen nicht beeinflussen.
SRG sieht keinen Grund für einen Verzicht
Bei der SRG betont Sprecher Edi Estermann: Die Umfragen seien immer nur Momentaufnahmen. Niemand erwarte, dass sie das genaue Endergebnis prophezeiten: «Die SRG erachtet es als Teil ihres Service-Public-Auftrages, mit diesen aufwändigen Umfragen vor so wichtigen Wahlen eine Momentaufnahme zu machen und abgeben zu können. Deshalb gibt es zum jetzigen Zeitpunkt auch keinen Grund, künftig darauf zu verzichten.»
Die Umfrage im Auftrag der SRG realisiert hat Michael Hermann von der Forschungsstelle Sotomo. Er erklärt: «Wir haben den Trend von rechts nach links und in Richtung Grün gesehen. Aber tatsächlich haben wir das Ausmass wirklich deutlich unterschätzt. Wenn man sich umgekehrt überlegt, wir hätten das so vorausgesagt – es hätte uns niemand geglaubt. Es ist wirklich etwas sehr Spezielles.» Die Mobilisierung bei den Grünen sei historisch einzigartig – die Lehren daraus will Hermann nun für künftige Umfragen ziehen.