Die Liste der Ungereimtheiten im Geschäft des staatseigenen Ruag-Konzerns mit alten Leopard-1-Panzern ist lang. Der Prüfbericht der Eidgenössischen Finanzkontrolle zeigt: Letztlich konnten Manager des Staatskonzerns Ruag faktisch ein Eigenleben führen. Die Führungsetage und auch das Verteidigungsdepartement schauten zu lange einfach zu. Es fehlte am Sensorium, an der Führung und an der Aufsicht.
Noch sind nicht einmal sämtliche Fakten auf dem Tisch: Eine weitere Untersuchung durch eine Anwaltskanzlei und die Finanzkontrolle beleuchtet Betrugs- und Korruptionsvorwürfe. Ein früherer Ruag-Manager soll sich im Handel mit Panzergetrieben der Korruption schuldig gemacht haben. In Deutschland ermittelt die Staatsanwaltschaft. Der Ex-Kadermann hatte auch beim Geschäft mit Leopard-1-Panzern eine tragende Rolle inne. Die mutmasslichen Korruptionsdelikte aber sollen keine Leopard-1-Teile betreffen.
Die Ruag war gewarnt
Der Bericht zu den Leopard-1-Panzern gibt einen Einblick, in welch undurchsichtigem Milieu die Ruag geschäftete: Mit Zwischenhändlern, die mitverdienen, und Agenten, die Deals einfädeln. Die Rüstungsbranche ist enorm anfällig auf Korruption und Betrug. Das mussten die Ruag-Verantwortlichen wissen. Denn sie waren vorgewarnt: In den letzten acht Jahren hat die Finanzkontrolle mehrfach die Korruptionsvorkehrungen und das Risikomanagement der Ruag kritisiert. Genützt hat es wenig, wie der Bericht über die Leopard-1-Deals zeigt.
Die Verantwortung trägt die frühere und aktuelle Ruag-Chefetage – inklusive Verwaltungsratspräsident Nicolas Perrin, der nach weniger als vier Jahren im Amt seinen Rücktritt angekündigt hat. Die Ruag erklärt zwar, die meisten Probleme seien Altlasten, die Jahre zurückreichen würden. Doch manche Mängel und Ungereimtheiten reichen gerade einmal zwei oder drei Jahre zurück.
Aufgefallen ist die Ruag-Führungsetage aber weniger mit konsequenten Aufräumaktionen als mit fehlendem politischen Gespür: Kurzzeit-CEO Brigitte Beck kritisierte letztes Jahr öffentlich die Schweizer Kriegsmaterialpolitik und musste gehen. Verwaltungsratspräsident Perrin unterliess es über ein Jahr lang, das Verteidigungsdepartement über die politisch sensiblen Ruag-Panzer zu informieren.
Viola Amherd blieb passiv
In der Verantwortung steht aber auch Verteidigungsministerin Viola Amherd. Sie vertritt den Bund als Eigner gegenüber der Ruag. Die Finanzkontrolle zeigt, dass das VBS zwar spät informiert wurde über die Panzer, aber früh genug, um zu reagieren. Doch über ein Jahr lang blieben Amherds Leute passiv.
Und als die Ruag Anfang letzten Jahres einen reichlich tollkühnen Verkauf der Leopard 1 nach Deutschland mit Endziel Ukraine einfädelte, schritt Amherd nicht ein. Dabei war früh klar, dass der Verkauf rechtlich nicht möglich war. Das früh absehbare Nein des Bundesrats brachte der Schweiz unnötige internationale Negativschlagzeilen ein.
Die Ruag, ein seltsames Konstrukt
Was nun? Die Ruag ist ein reichlich seltsames Konstrukt: Sie macht 80 Prozent ihres Umsatzes mit der Schweizer Armee, die restlichen 20 Prozent auf dem freien Rüstungsmarkt – dort also, wo die Risiken enorm sind. Ergibt das Sinn?
Auch Viola Amherd scheint zu zweifeln: Das VBS hat gestern eine Prüfung der rechtlichen Rahmenbedingungen der Ruag angekündigt. Dabei soll auch die politische Steuerung und Aufsicht durchleuchtet werden – diejenige Aufsicht also, die im Fall der Leopard-1-Panzer letztlich versagt hat.