Nach dem Abzug von Benin und der Salomonen spricht die Westschweizer Zeitung «Le Temps» von einem «schlechten Zeichen für das internationale Genf», das den Anspruch hat, dass hier jedes Land der Welt vertreten ist. Die Befürchtung ist nicht aus der Luft gegriffen, zumal der Wettbewerb um die Ansiedlung internationaler Organisationen immer schärfer wird.
Nicht zuletzt für Drittweltländer ist die Präsenz in Genf jedoch wichtig, da hier viele für sie bedeutende Organisationen ansässig sind, zum Beispiel die Weltgesundheits- oder die Welthandelsorganisation.
Benin begründet die Schliessung der Vertretung in Genf mit einem neuen diplomatischen Konzept, das nicht mehr auf ständige Vorort-Präsenz, sondern auf diplomatische Reisen von Fall zu Fall setzt. Deshalb schliesst die Regierung auch zahlreiche weitere Botschaften, etwa jene bei der EU in Brüssel oder bei Afrikanischen Union in Addis Abeba. Im Fall der Salomonen werden primär finanzielle Gründe angeführt.
Positive Signale in Genf
Zwar werden die beiden Abgänge aus Genf beklagt, allerdings sieht es vorläufig nicht danach aus, dass sie eine Kaskade weiterer auslösen. Seit 2010 haben in Genf sogar 16 Staaten zusätzlich eine diplomatische Vertretung eröffnet. Zurzeit sind 177 der 193 UNO-Mitgliedsländer präsent.
Es finden in Genf inzwischen mehr internationale Konferenzen statt als am New Yorker UNO-Hauptsitz. Im Moment laufen zudem Gespräche mit einem halben Dutzend weiterer Länder, die sich neu in Genf etablieren möchten. In drei Fällen scheint lediglich noch die Corona-Situation die Eröffnung einer Mission in Genf zu verzögern.
Konkurrenz wächst
Das sind erfreuliche Signale für die Rhonestadt. Sie behauptet sich als weltweite Diplomatie-Metropole gut, obschon die Konkurrenz im härter wird, weil immer mehr Städte um die Ansiedlung von internationalen Organisationen buhlen: Wien, Nairobi, Seoul, Bonn, Abu Dhabi, Kopenhagen. Manche Regierungen locken mit grosszügiger finanzieller Unterstützung.
Die Schweiz bemüht sich ebenfalls, jedoch in geringerem Ausmass: Die Eidgenossenschaft unterstützt die dringend nötige Renovierung des Palais des Nations in Genf mit einem umfangreichen Darlehen. Sie hilft darüber hinaus vor allem Regierungen armer Länder, etwa bei der Suche nach geeigneten, nicht zu teuren Gebäuden oder mit der Vermittlung von Stagiaires. Der Kanton Genf wiederum gewährt in einzelnen Fällen auch direkte finanzielle Anreize, etwa durch eine Verbilligung von Mieten.