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Zürcher Asylunterkunft in der Kritik
Aus Rendez-vous vom 21.06.2023. Bild: KEYSTONE/Michael Buholzer
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Unruhe in Polizeikaserne Zürcher Asylunterkunft in der Kritik

Unter den Minderjährigen soll ein hohes Stresslevel herrschen und Rückzugsmöglichkeiten fehlen.

Es herrsche eine «Migrationskrise», sagte der Zürcher Sicherheitsdirektor Mario Fehr anfangs Jahr vor Medien, als er die ehemalige Polizeikaserne zur temporären Asylunterkunft ernannte. Das Ziel: Den Kapazitätsengpass im Asylbereich entschärfen.

Insgesamt gibt es Platz für 300 Personen. Sortiert nach Gruppen, in unterschiedlichen Etagen untergebracht. Familien, Ukrainerinnen, alleinstehende Männer und - auf dem 3. Stock - Kinder und Jugendliche, die ohne Begleitung in die Schweiz geflüchtet sind. Nun zeigen Recherchen: Auf dieser Etage, wo die Minderjährigen leben, soll es in letzter Zeit vermehrt zu Unruhen gekommen sein.

Schlaflose Nächte, enge Verhältnisse, Schlägereien

SRF hat mit mehreren Personen aus dem Umfeld der Polizeikaserne gesprochen. Sie erzählen von einem hohen Stresslevel und unzureichender Betreuung.

Ein Raum mit drei Etagenbetten, weisse Wände und Vorhänge.
Legende: Im Innern der ehemaligen Polizeikaserne Die Asylbewerber sind in solchen Räumen einquartiert. Keystone/Michael Buholzer

Eine, die ihre Kritik nun öffentlich äussert, ist Sandra Rumpel. Die Psychotherapeutin hat mit dem Verein Family-Help Erfahrung in der Begleitung von jungen Asylsuchenden, die psychische Unterstützung benötigen. Sie hat mit über einem Dutzend Bewohnenden der Polizeikaserne gesprochen: «Die Jugendlichen haben erzählt, sie hätten zu wenig Privat- und Intimsphäre». Weiter würden die jungen Menschen zu zwölft in den Zimmern wohnen.

SRF liegen die Innenbau-Pläne der Kaserne vor. Darin wird ersichtlich, dass bis zu 26er-Zimmer eingeplant sind.

Ein Bauplan eines Stockwerks zeigt die Raumaufteilung der Asyl-Unterkunft. Es hat rund ein Duzend Zimmer.
Legende: Belegungsplan in der Asylunterkunft Verschiedene Zimmergrössen – bis zu 26er-Schlägen – sind im Bauplan vorgesehen. Zvg

SRF hat mit weiteren Personen gesprochen, die sich mit der Situation in der Polizeikaserne auskennen. Sie bestätigen die fehlenden Rückzugsmöglichkeiten und dass die Betreuung aus Kapazitätsgründen nicht kontinuierlich gewährleistet sei. Zudem wirke sich das Fehlen einer Tagesstruktur negativ auf die psychische Gesundheit der Jugendlichen aus.

Steigende Asylzahlen

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Im Jahr 2023 haben bis Ende Mai 965 Minderjährige in der Schweiz Asyl beantragt. Das sind fast doppelt so viele wie zur gleichen Zeit letztes Jahr. Im Jahr 2022 waren es im gesamten Jahr 2450 Gesuche von Minderjährigen – diese machten letztes Jahr 10 Prozent der Asylgesuche in der Schweiz aus. Die Statistik des Staatssekretariat SEM zeigt, dass sowohl die totale Anzahl Asylgesuche angestiegen ist, wie auch der Anteil der Minderjährigen.

  • Asylgesuche 2022: 24’511 (10% Minderjährige)
  • Asylgesuche 2021: 14’928 (6.63% Minderjährige)
  • Asylgesuche 2020: 11’041 (4.85% Minderjährige)

Gemäss dem Sonderstab Asyl des Bundes (SONAS) sind Bund, Kantone, Städte und Gemeinden durch die steigenden Asylzahlen stark gefordert – besonders in der Bereitstellung von Unterkünften. Der Stab rechnet mit einem starken Anstieg in den kommenden Wochen – und warnt vor einem drohenden Engpass bei den Unterkünften im Herbst.

Der Bund plante die Schaffung von Asylcontainerdörfern, um die Kantone zu entlasten. Der Ständerat lehnte dies vor zwei Wochen ab.

Einige betonen das Positive: Viele der Jugendlichen seien mit der Unterkunft unglücklich, aber mit dem Standort zufrieden. Zum Beispiel sei das Freizeitangebot diverser und altersgerechter als bei Unterkünften am Stadtrand.

Zusätzliche Belastung für traumatisierte Personen

Die Situation ist für viele Bewohnende eine Belastung. Gegenüber dem Tages-Anzeiger erzählt ein Asylsuchender, er habe die Perspektive verloren: «Ich fühle mich nutzlos». In den Zimmern herrsche ein Kommen und Gehen. Die Stimmung sei gedrückt, so der junge Mann.

Besondere Vorgaben für Betreuung Minderjähriger

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Die Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK) hat Empfehlungen für die Betreuung von minderjährigen Asylsuchenden erstellt. Diese haben auf Grund ihrer besonderen Verletzlichkeit spezifische Schutzbedürfnisse. Unter anderem sollen Minderjährige in eine «stabilisierende Tagesstruktur» eingebunden werden.

Es gibt keine Empfehlung für die Grösse der Zimmer oder einen spezifischen Betreuungsschlüssel, der angibt, wie viele Betreuer pro Asylbewerber vorgesehen sind. Allerdings gilt generell: Je jünger der Asylbewerber, desto mehr Betreuung.

Fehlende Orte der Ruhe sind gemäss Sandra Rumpel die Ursache für die Aufregung in der Unterkunft: «Wenn sie nicht schlafen können, leben sie ihre Erfahrungen vor dem inneren Auge noch einmal durch.» Einige würden dann schreien oder in Ohnmacht fallen – was dann wiederum für Personen, die dies miterleben, Stress begünstige oder Konflikte auslösen könne.

Kritikpunkte wiederholen sich

Die Kritik zur Polizeikaserne ist brisant - da ähnliche Aspekte Thema sind, wie letztes Jahr bei der Unterkunft Lilienberg in Affoltern am Albis. Ein Prüfbericht kam damals zum Schluss, die Betreuungssituation sei «besorgniserregend». Kritisiert wurden fehlende Rückzugsmöglichkeiten und unzureichende sozialpädagogische Betreuung. Die zuständige Organisation AOZ hat in Lilienberg Massnahmen angekündigt.

ORS und Kanton nehmen keine Stellung

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Die für die Betreuung in der Polizeikaserne zuständige Firma ORS wollte sich auf Anfrage nicht äussern, auch nicht zu den Vorwürfen. Sie verwies auf die kantonalen Behörden. Die kantonale Sicherheitsdirektion, wo das zuständige Sozialamt angegliedert ist, hat auf mehrere schriftliche Anfragen nicht reagiert – bis auf eine Nachricht auf dem Telefonbeantworter der Journalistinnen mit der Bitte, keine E-Mails mehr zu schicken. Man werde keine Stellung nehmen für einen «tendenziösen Linksaussen-Beitrag».

Sandra Rumpel kennt die Situation in beiden Unterkünften. Sie sagt zur Polizeikaserne: «Ich würde sagen, die Situation wiederholt sich nicht nur, sie ist noch schlimmer geworden.» Der Kanton hat auch auf den Vorwurf, die Zustände der Polizeikaserne seien vergleichbar mit jenen in der Unterkunft Lilienberg, nicht reagiert.

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Archiv: Kantone suchen nach Lösungen für minderjährige Asylsuchende
aus Echo der Zeit vom 07.05.2023. Bild: Keystone
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Regionaljournal Zürich, 21.06.2023, 6:31 Uhr

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