In der Schweiz sind erst rund zehn Prozent der Bevölkerung vollständig gegen das Coronavirus geimpft – vor allem alte Menschen oder solche mit Vorerkrankungen. Nur wenige Kantone haben die Impfung bislang für die junge Bevölkerung zugelassen. Sechs unter 35-Jährige erzählen, wieso sie trotzdem bereits gegen Covid-19 geimpft sind und was sie sich durch die Impfung erhoffen.
Adrian (32): «Die angebrochene Dosis wäre entsorgt worden»
Meine Freundin ist Ärztin und wurde früh geimpft, was bei mir einen gewissen Impfneid auslöste. Da wir ein Schiff in Südfrankreich haben und regelmässig dorthin fahren, war für mich klar: Auch ich will mich impfen lassen. Eines Abends hat meine Freundin mich spontan angerufen. Im Pflegezentrum, wo sie arbeitet, gebe es eine angebrochene Impfdosis und wenn ich schnell vorbeikomme, könne ich geimpft werden. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich einer Risikoperson Impfstoff weggeschnappt habe. Denn die angebrochene Impfdosis wäre sonst entsorgt worden.
Eines Abends hat meine Freundin mich spontan angerufen. Im Pflegezentrum, wo sie arbeitet, gebe es eine angebrochene Impfdosis und wenn ich schnell vorbeikomme, könne ich geimpft werden.
Für die zweite Impfdosis mussten wir extra aus den Ferien zurück ins Berner Oberland reisen. Wir waren gerade im Tessin – hin und zurück waren es 456 Kilometer Fahrt – doch die haben sich gelohnt. Erstens bin ich jetzt geschützt und zweitens hoffe ich, dass wir bald mehr Freiheiten bekommen und so schnell wieder auf unser Schiff können.
Christian (26): «Ich habe mich in den USA impfen lassen»
Ich studiere ein halbes Jahr Hotellerie in den USA und bin aktuell gerade in Boston. Gestern habe ich meinen zweiten Pfizer-Shot bekommen und fühle mich soweit gut. Im Februar hatte ich mich bereits im Wallis sowie in den USA für einen Impftermin registriert und habe mich nun in Boston impfen lassen, weil ich erstens früher drankam und zweitens auch den zweiten Shot noch hier machen konnte.
Im Januar waren die Bars hier noch komplett leer und letzte Woche, als wir wieder einmal in die Bar neben dem Campus gegangen sind, war diese voll und es herrschte eine richtig lockere Stimmung, fast schon Normalität. Interessant ist auch: Bei uns am Campus müssen die 34'000 Studentinnen und Studenten jede Woche einen PCR-Test machen. Die Resultate werden uns einmal pro Woche per E-Mail mitgeteilt: Im Januar waren jede Woche gut 90 Personen an Covid-19 erkrankt, jetzt sind es noch knapp 40.
Aglaja (20): «Werde mich beruhigter mit meinem Freund treffen»
Ich habe vor zwei Monaten überraschend erfahren, dass bei mir eine Niereninsuffizienz vorliegt. Plötzlich gehörte ich zur Risikogruppe, womit ich als junge, gesund geglaubte Person nie gerechnet hätte. Das bedeutete dann auch, dass ich vor zwei Wochen den ersten Impftermin hatte und gegen Ende Mai den zweiten wahrnehmen werde.
Ich habe vor zwei Monaten überraschend erfahren, dass bei mir eine Niereninsuffizienz vorliegt. Plötzlich gehörte ich zur Risikogruppe.
Bisher hat sich nicht viel verändert in meinem Leben. Nach der zweiten Impfung werde ich mich aber deutlich beruhigter mit meinem Freund treffen können. Er wohnt in einer WG, in der einige Mitbewohner die Umsetzung der Massnahmen eher locker handhaben. Für mich als Pharmazie-Studentin ist das schwer nachvollziehbar. Da meine Eltern beide geimpft sind, freue ich mich, sie wieder öfter zu sehen. Ich bleibe aber weiterhin vorsichtig, denn ich finde, auch geimpfte Menschen tragen eine Verantwortung gegenüber der Bevölkerung.
Jens (27): «Ich spüre einen gewissen Impfneid»
In meinem Umfeld spüre ich einen gewissen Impfneid. Viele Freunde möchten sich auch schnell impfen lassen, um ein Stück Normalität zurückzuerhalten. Auch ich erhoffe mir durch die Impfung mehr Freiheiten. So möchte ich wieder Reisen gehen und Konzerte besuchen. Für mich war schon früh klar, dass ich mich impfen lassen werde. Ich doktoriere am Institut für Pharmazeutische Technologie an der Uni Basel, wo wir mRNA-Gentransfer-Systeme entwickeln, wie sie für die Impfung genutzt werden. Zudem impfe ich als Teilzeit-Apotheker sowieso regelmässig Kunden.
Im Februar konnte ich mich als Teil des Spitalpersonals in Aarau impfen lassen. Seither ist mein Leben entspannt. Ich halte mich immer noch an die Massnahmen, aber die unterschwellige Sorge im Hinterkopf, dass etwas Schlimmes passieren könnte, ist verschwunden. Ich treffe wieder mehr Freunde und kann meinen Vater, der Risikopatient ist, endlich wieder umarmen. Die Nähe hat gefehlt.
Alma (19): «Ich war lange skeptisch, dann hat es Klick gemacht»
Ich habe mich lange schwergetan mit der Corona-Impfung und machte mir vor allem Sorgen wegen Nebenwirkungen. Da ich als Praktikantin in einem Spital arbeite, wurde uns immer wieder zur Impfung geraten. Ich habe mich dann mit anderen Lernenden konkreter informiert und es hat «Klick» gemacht. Seit Februar bin ich geimpft. Heute ist mir klar, was für ein Privileg das ist. Die Impfung ist unsere Chance, so schnell wie möglich zur Normalität zurückkehren zu können.
Vorher stieg ich mit einem unguten Gefühl in einen überfüllten Bus. Jetzt wo ich geimpft bin, fühle ich mich etwas sicherer und freier.
Auf der Bettenstation, wo ich arbeite, liegen viele Risikopersonen und Corona-Patientinnen und -Patienten. Ich spüre daher eine Verantwortung, mich und damit auch andere zu schützen. Mehr Freiheit hat mir die Impfung mir bisher nicht gebracht – ich halte mich weiterhin an alle Massnahmen. Dennoch gibt mir die Impfung Zuversicht. Vorher stieg ich mit einem unguten Gefühl in einen überfüllten Bus. Jetzt wo ich geimpft bin, fühle ich mich etwas sicherer und freier.
Tobias (17): «Viele meinten, ich bräuchte diese Impfung nicht»
Ich bin im dritten Lehrjahr als Koch im Kantonsspital Luzern. Weil wir alle mit Risikopatienten in Kontakt kommen, war für mich schnell klar, dass ich mich impfen lassen werde. Mein Mitstift (19) hatte Corona, fiel deswegen lange aus und hat auch heute noch mit schweren Nebenwirkungen zu kämpfen. Aus Solidarität und weil ich mitbekommen habe, wie schlecht es ihm ging, habe ich mich für den Impftermin angemeldet und bin seit über zwei Monaten vollständig geimpft.
Die Reaktionen waren eher skeptisch: Viele meinten, ich sei ja noch jung und bräuchte diese Impfung nicht, ich sei ja kein Risikopatient. Einige konnte ich überzeugen, sich auch zu impfen. Am meisten freue ich mich darauf, nun wieder öfter etwas mit Freunden zu unternehmen, zum Beispiel gemeinsam Geburtstag feiern. In einem Monat werde ich 18 und darauf freue ich mich besonders. Gestern haben wir den ganzen Abend gejasst. Das war vor der Impfung nicht möglich.