Mit dem Jahresanfang starten schweizweit vielerorts die Corona-Impfungen. Mit dem Jahresanfang treten schweizweit neue Verkehrsregeln in Kraft. Und mit dem Jahresanfang beginnt für Lukas Züst ein neuer Lebensabschnitt: Der 31-Jährige Zürcher ist neu Präsident der Bündner Gemeinde Safiental.
Im Herbst setzte sich der Parteilose völlig überraschend gegen zwei Mitbewerberinnen durch, beides langjährige Dorfbewohnerinnen. Züst hingegen ist erst vor zwei Jahren ins Safiental gezogen. «Sich nach dieser Zeit schon als Gemeindepräsident zu bewerben, ist ein Stück weit recht frech», sagt Züst rückblickend.
Im Vorfeld der Kampfwahl habe er sich gefragt, weshalb nicht mehr Personen für das Amt kandieren. «Vielleicht ist es so, dass die Leute es sich nicht zutrauen oder keine Lust haben», sagt Züst. Auf ihn trifft beides nicht zu. Er ist dabei nicht der erste Zürcher, der als Newcomer im Graubünden das Amt eines Gemeindepräsidenten übernimmt. Schweizweit bekannt ist der Zürcher Opernsänger Christian Jott Jenny, der die Gemeinde St. Moritz führt.
Doch wie hat Lukas Züst – ohne politische Erfahrung, als Zuzüger – die Einwohnerinnen und Einwohner für sich gewonnen? Einerseits hat sich Züst mit seiner Frau Hannah rasch ins Safiental integriert. «Ich wollte ein Teil dieser Dorfgemeinschaft sein und habe deshalb immer allen ‹Hoi› gesagt und das Gespräch gesucht.» Das Dorf war ihm zudem kein fremder Ort: Seine Eltern besassen im Safiental ein Ferienhaus.
Geholfen habe zudem, dass seine Frau im Ort ein Café betreibe und Caterings mache. «Ohne das Geschäft meiner Frau wäre ich nicht Gemeindepräsident geworden», ist Züst überzeugt. Die Safier und Safierinnen hätten es geschätzt, dass jemand in der Gemeinde ein Geschäft aufzieht.
Als Zürcher musste sich Lukas Züst im Bündner Oberland auch den einen oder anderen Spruch gefallen lassen. «Die Leute sagen mir heute noch zum Teil ‹Züzi›», so Züst. Der Spitzname sei aber lustig gemeint: «Ich habe es nie als negativ angeschaut, ein ‹Züzi› zu sein.» Er erhoffe sich, seine Erfahrungen aus der Stadt auch als Gemeindepräsident einbringen zu können.
Zu seinen Plänen gehört es, regionale Produkte beispielsweise mittels eines Labels bekannter zu machen. Auch die Touristenströme will er besser lenken. Denn diesen Sommer strömten massenhaft Ausflügler ins Safiental und rangelten sich um Parkplätze. Wichtig ist es Züst, die Bevölkerung in seine Pläne einzubeziehen. «Es ist nicht das Ziel, ein zweites Tourismus-Mekka zu machen», sagt er und bezieht sich dabei auf Laax. Dort hat er zuvor jahrelang gewohnt und als Pistenbullyfahrer gearbeitet.
Züst hofft, er könne mindestens acht Jahre lang im Amt bleiben, das er als werdender Vater hauptberuflich ausübt. «Wenn ich etwas mache, tue ich es nicht nur so gschwind und gehe dann wieder», sagt er. Doch zuerst muss sich Züst im Amt einfinden. Das heisst in einem ersten Schritt: Sich mit Verwaltung und Rechtsgrundlagen wie etwa der Bau- und Zonenordnung bekannt machen.
Einfach etwas zu sagen, damit etwas gesagt ist – so bin ich nicht!
Bau- und was? Noch im Wahlkampf wusste Lukas Züst nicht viel darüber. Bei einer Podiumsdiskussion fragten Anwesende im Plenum, was er denn von der Bau- und Zonenordnung halte. Dazu könne er nichts sagen, sagte Züst vor siebzig Anwesenden – denn er hatte sich nicht auf diese Frage vorbereitet.
«Wenn ich keine Ahnung habe, habe ich keine Ahnung», so Züst im Rückblick. Einfach irgendetwas zu erzählen, sei nicht sein Stil. Stattdessen sage er: «Tut mir leid. Wenn es hilft, kann ich es aufschaffen.» Dazu hat er als Gemeindepräsident nun die Möglichkeit.