Karine kommt aus Freiburg, ist 41 Jahre alt und hätte nie gedacht, dass sie einmal in der Sozialhilfe landen würde. Ihren Nachnamen möchte sie nicht lesen. Sie absolvierte eine Lehre als Verkäuferin, arbeitete in Freiburg, Bern und Zürich und ging mit 27 nach Paris, machte die Schauspielschule. Später kam Karine zurück in die Schweiz, arbeitete einige Monate in einem Callcenter, als plötzlich die gesundheitlichen Probleme begannen.
«Ich hatte erst ein Burnout und habe dann herausgefunden, dass ich eine Adenomyose habe.» Adenomyose löst bei Betroffenen chronische Schmerzen im Unterleib aus. «Obwohl ich wollte, konnte ich einfach nicht mehr arbeiten», erzählt Karine.
«Man fühlt sich, als hätte man etwas Schlimmes getan.
Ihre Krankheit wurde nicht anerkannt. Sie hatte somit weder Anspruch auf Arbeitslosengeld, noch auf IV und rutschte in die Sozialhilfe. 2000 Franken erhielt sie jeden Monat – 750 davon gab sie für die Miete aus, 300 für die Krankenkasse, zum Leben blieb nicht viel. «Ich hatte einen Zahn abgebrochen und musste ein Jahr warten, bis ich zum Zahnarzt gehen konnte.»
Mit der Zeit traf sie auch keine Freunde mehr, getraute sich nicht, über ihre Situation zu sprechen, wurde zur Aussenseiterin: «Man fühlt sich, als hätte man etwas Schlimmes getan.»
Kantonale Unterschiede
Laut der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe SKOS beziehen über 270'000 Menschen in der Schweiz Sozialhilfe. Aus dieser Situation herauszukommen, ist nicht einfach. Auch wenn man Arbeit findet, verlangen die Sozialämter in vielen Kantonen das Geld, das ausbezahlt wurde, zurück; auch der Kanton Freiburg.
Freiburg gehört zu den Kantonen im Mittelfeld mit einer sogenannten Rückerstattungspflicht auf das Erwerbseinkommen. Diese Kantone halten sich an die SKOS-Richtlinien und setzen die Grenze des Einkommens höher an. Die Personen müssen dabei weniger abgeben, als in anderen Kantonen, die strenger sind und eigene Berechnungen verwenden – teilweise verlangen sie sogar Geld aus dem Altersguthaben.
Mehrere Kantone, darunter Basel-Stadt, Waadt oder Zürich, sind bei den Rückerstattungen zurückhaltender und verzichten bei späterem Einkommen zumindest teilweise darauf.
In Freiburg wollen mehrere Parlamentarier die Rückerstattungspflicht ebenfalls aufheben. Für Personen in einer prekären Situation komme es auf das Gleiche an, Sozialhilfe zu beantragen oder Schulden aufzunehmen, heisst es in einem Vorstoss von zwei SP-Grossrätinnen. Das behindere aber das eigentliche Ziel der Sozialhilfe, bedürftige Personen durch eine punktuelle Hilfe zur Eigenständigkeit zu verhelfen.
Rückerstattungspflicht in Freiburg bleibt
Die Freiburger Kantonsregierung ist dagegen. «Das Geld der Sozialhilfe wird mit den Steuereinnahmen finanziert. Wir machen alles, um diese Personen zu unterstützen, aber sobald sie können, sollen sie dies zurückzahlen», sagt Gesundheitsdirektorin Anne-Claude Demierre. Das Kantonsparlament folgte am Donnerstag dieser Argumentation und lehnte die Abschaffung der Rückerstattungspflicht mit 53 zu 44 Stimmen ab.
Das Geld der Sozialhilfe wird mit den Steuereinnahmen finanziert.
Karine kann dies nicht verstehen. Diese Pflicht mache ein Leben in Würde jahrelang unmöglich. «Niemand will freiwillig Sozialhilfe beziehen», meint die 41-Jährige. Sie hat mittlerweile nun doch eine IV-Rente erhalten, die Versicherung zahlte ihre Schulden beim Sozialamt ab. Nun fühlt sie sich in der Lage, zumindest einen Teil ihres Lebensunterhalts wieder selbst zu verdienen.