Es war eine Hiobsbotschaft für die Schweiz und ein Stich ins Herz der direkten Demokratie: Bei diversen Volksinitiativen wurden Unterschriften systematisch erfunden, gefälscht oder kopiert, wie Recherchen des Tagesanzeigers zeigen. Im Fokus der Kritik stehen Firmen, die gegen Bezahlung Unterschriften sammeln.
Die Aufdeckung des Unterschriftenbetrugs hat auf breiter Front Beunruhigung ausgelöst. Immer mehr Politiker fordern nun, dass kommerzielles Unterschriftensammeln verboten wird.
«Überall, wo Geld im Spiel ist, besteht Missbrauchspotenzial. Wenn es keinen finanziellen Anreiz mehr gibt, gibt es auch kein Missbrauchspotenzial mehr», sagt Daniel Fässler, Präsident der Staatspolitischen Kommission des Ständerats (GPK-S). Der Mittepolitiker spricht sich für ein Verbot von kommerziellem Unterschriftensammeln aus. Er ist schockiert über das Ausmass des Betrugs. «Die direkte Demokratie sollte nicht käuflich sein. Sobald Geld im Spiel ist, wird es gefährlich für eine Demokratie.» Solche Geschichten seien Gift für das ohnehin angeschlagene Vertrauen der Bevölkerung in den Staat.
Einfachste und schnellste Massnahme
Fässler hat wie andere Parlamentsmitglieder erst am Montag aus den Medien vom Unterschriftenbetrug erfahren. Er sei erstaunt, dass er vorher keine Anhaltspunkte dafür hatte – obwohl er bis Ende 2023 als Mitglied der GPK-S für die Bundeskanzlei und das Justizdepartement zuständig war.
Darüber empört ist auch die Präsidentin der Staatspolitischen Kommission des Nationalrats (SPK-N), Greta Gysin. «Mindestens die Staatspolitische Kommission hätte darüber informiert werden müssen, spätestens als wir vor einem Jahr über ein Verbot von bezahlten Unterschriften diskutiert haben.»
Die Grünen-Politikerin will gemäss einer Mitteilung ihrer Partei in der SPK-N noch diese Woche den Vorschlag einbringen, bezahltes Unterschriftensammeln zu verbieten. «Das wäre die einfachste und schnellste Massnahme», so Gysin. Noch vor drei Jahren war der Vorschlag im Parlament gescheitert.
Volksrechte würden eingeschränkt
Ob Gysin mit dem neuen Antrag eine Mehrheit finden wird, ist fraglich. Denn die Bürgerlichen sind skeptisch. «Von einem Verbot von bezahlten Unterschriftensammlungen halte ich nach wie vor nichts», sagte FDP-Vertreter Wasserfallen. Kleine Gruppierungen würden benachteiligt, und die Volksrechte würden eingeschränkt. «Bezahltes Unterschriftensammeln ist kein Problem, solange es sauber läuft.»
Auch SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi ist gegen ein Verbot von bezahlten Unterschriftensammlungen. «Wir haben den Anspruch, die Unterschriften selbst zu sammeln». Allerdings sei die Frist von 100 Tagen bei Referenden im Gegensatz zu Volksinitiativen immer sehr kurz, weshalb die bezahlte Hilfe von Referendumsorganisationen eher in Anspruch genommen werde.
Eine Lösung, die auf beiden Seiten Anklang findet, ist die E-ID – eine elektronische Identitätskarte, mit der Initiativen oder Referenden elektronisch unterschrieben werden könnten. «Mit dem E-Collecting wäre es einfacher, die Unterschriften zu beglaubigen», sagt Gysin. Dieser Meinung ist auch Wasserfalllen: «Sobald die E-ID endlich Realität ist, hätte man mehr Möglichkeiten, Missbräuche zu verhindern».