Am Mittwoch hat das Bundesamt für Energie (BFE) eine neue Studie zur Stromversorgung in diesem Winter publiziert. Die Hauptbotschaft der Studie: Die Stromversorgung sei diesen Winter nicht gravierend gefährdet. Engpässe könnten dennoch nicht ausgeschlossen werden.
Zuversicht macht sich breit. Zeitungen meldeten: «Der Winter scheint gerettet», «Bericht macht Hoffnung». SRF News titelte selbst: «Bundesrat gibt leichte Entwarnung».
Die Studie zeigt anhand von Wahrscheinlichkeitsrechnungen, wann im Winter ein möglicher Energiemangel droht. Dabei berücksichtigt die Studie verschiedene Szenarien, etwa eine Gasknappheit, den Ausfall vieler französischer Atomkraftwerke oder einen funktionierenden Stromhandel mit dem Ausland.
Es ist keinesfalls eine Entwarnung.
«Es gibt eine Sicherheit von etwa 87 Prozent, dass es kein Versorgungsproblem gibt», sagt Marianne Zünd, Leiterin Medien und Politik im BFE. Alles halb so schlimm also? Muss man doch nicht auf seinen Verbrauch achten?
Die BFE-Studie zum Nachlesen
«Es ist keinesfalls eine Entwarnung», sagt Zünd. Das Szenarienpapier sei keine Prognose und zeige lediglich Wahrscheinlichkeiten unter verschiedenen Voraussetzungen. Die Resultate der Studie würde zeigen, dass die Schweiz mit den vom Bundesrat beschlossenen Massnahmen gut gerüstet sei, «falls es eben doch zu einer gewissen Mangellage kommt», sagt sie.
Menschen brauchen Grund zum Stromsparen
Bettina Höchli von der Universität Bern hat die Botschaft der Studie auf Verhaltensebene betrachtet. Menschen bräuchten einen Grund, damit sie Strom sparen. «Die Aussage, dass die Stromversorgung gar nicht so gravierend gefährdet ist, kann natürlich dazu führen, dass dieser Grund infrage gestellt wird», sagt die Verhaltensökonomin.
Mit Blick auf die Versorgungssicherheit beim Strom kann also der Eindruck entstehen, dass es kein Problem mehr gibt, wie Höchli erklärt. «Das kann einen demotivierenden Effekt haben. Wenn der Grund wegfällt, warum wir Strom sparen und unser Verhalten ändern, dann fehlt auch die Motivation.» Es besteht also die Gefahr, dass der Stromkonsum wieder steigt.
«Es steht noch etwas offen im Raum, warum die Verhaltensänderung wichtig ist», sagt Höchli. Darum empfiehlt sie dem Bund proaktiv zu beantworten, was die Studienresultate für das individuelle Verhalten bedeuten. Unsicherheiten unter der Bevölkerung sollten konkret adressiert werden.
Extremfall ist unwahrscheinlich, aber möglich
Das BFE befürchtet derweil nicht, dass der Rückhalt in der Bevölkerung wegen des vermeintlich positiven Ausblicks der Studie schwindet. Die Leute würden sich weiterhin Gedanken über die Energieversorgung und die Preise machen, sagt Zünd. «Es könnten auch die extremen Szenarien eintreten, die wir ebenfalls in der Studie haben.»
Stromsparen macht das ganze System widerstandsfähiger.
In der Studie rechnet das sehr unwahrscheinliche Extremszenario mit einem Energiemangel im Ausmass von sechs Wintertagen. «Dann ist das nicht so lustig», warnt Zünd. «Das verteilt sich über eine Zeit von Februar bis Ende März, Anfang April.» Ohne, dass man wisse, wann der Strom genau ausgehe.
Deshalb solle die Bevölkerung weiter sparen, appelliert Zünd. «Stromsparen macht das ganze System widerstandsfähiger. Jede Kilowattstunde, die wir nicht verbrauchen, muss nicht produziert und transportiert werden.»
Die Sparappelle dürften die Bevölkerung auch weiterhin begleiten, denn der Bund erwartet auch im Folgejahr eine angespannte Situation bei der Energieversorgung.