Die Bundesanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts auf Wahlfälschung. Es geht darum, dass kommerzielle Unternehmen Unterschriften für Volksinitiativen gefälscht haben sollen.
Laut der Stiftung für direkte Demokratie nehme die Politik das Problem nicht ernst genug.
Sie hat daraufhin Bundesrat und Parlament in einem offenen Brief aufgefordert, die kommerzielle Unterschriftensammlung temporär zu verbieten.
Politisch zeichnen sich trotz Diskussionen so rasch aber keine Massnahmen ab.
«Unsere Demokratie droht in eine tiefe Vertrauenskrise zu geraten», schreibt die Stiftung für direkte Demokratie in deinem offenen Brief an Bundesrat und Parlament. Über 10'000 Personen haben diesen laut der Betreiberin der unabhängigen Plattform We Collect unterschrieben.
Eine Sammelfirma im Fokus
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Die Tamedia-Zeitungen berichteten, dass bei der Unterschriftensammlung für die Service-Citoyen-Initiative viele ungültige Unterschriften zusammengekommen seien. Demnach habe das Initiativkomitee die Organisation Incop damit beauftragt, 10'000 Unterschriften «mit Validierung» zu sammeln – für 4.50 Franken pro Stück. Nachdem Incop die gesammelten Unterschriften beim Komitee deponiert hatte, stellten sich viele davon als ungültig heraus. Je nach Gemeinde waren 35 bis mehr als 90 Prozent ungültig.
Die Personen hinter der Service-Citoyen-Initiative schöpften Verdacht und forschten nach. Am 14. Juni 2023 reichte das Komitee bei der BA eine Strafanzeige gegen Incop, deren Chef Franck Tessemo und gegen Unbekannt ein.
Von Incop lag zunächst keine Stellungnahme vor. Die Sammelfirma hat inzwischen allerdings Rückendeckung erhalten. Franziska Herren setzte für die aktuelle Initiative für eine sichere Ernährung auf die Dienste von Incop, wie sie der «SonntagsZeitung» sagte. Sie habe den Chef von Incop, Franck Tessemo, streng kontrolliert und gute Erfahrungen gemacht. Die Vorwürfe seien reine Spekulation. Die Bundesanwaltschaft habe bei ihr eine einzige mutmasslich gefälschte Unterschrift entdeckt. Auch Ex-Bundesratssprecher Oswald Sigg verteidigte Tessemo im «SonntagsBlick». Er habe bei ihm für zwei Initiativen Unterschriften eingekauft.
Wirksame Kontrollmechanismen seitens der Behörden fehlen laut den Autorinnen und Autoren des Briefes. Zwar würden die Gemeinden auf jedem Unterschriftenbogen die Angaben der Unterzeichnenden überprüfen. «Doch die Möglichkeiten, gefälschte Angaben oder Unterschriften sicher zu erkennen, sind begrenzt.»
Für die Stiftung für direkte Demokratie steht fest: «Wo die Demokratie in ihrem Kern bedroht ist, hört die Wirtschaftsfreiheit auf.»
Uneinigkeit im Bundeshaus
Im Parlament hat das linke Lager auf die Betrugsfälle im kommerziellen Unterschriftensammeln reagiert und verschiedene Vorstösse eingereicht. «Wir haben drei Tage, nachdem diese Fälle ans Licht gekommen sind, das in der Staatspolitischen Kommission diskutiert», erklärt Greta Gysin (Grüne/TI). «Wir hatten aber in der Kommission keine Mehrheit, die der Meinung ist, man muss jetzt schnell handeln und schnell Massnahmen treffen.»
Gefälschte Unterschriften: So reagieren Behörden und Politik
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Bereits 2022 hat die Bundeskanzlei wegen mutmasslicher Verstösse Anzeige erstattet. Nach den Enthüllungen des «Tagesanzeiger» räumt sie nun Fehler in der Kommunikation ein. «Rückblickend muss ich sagen, wir hätten früher aktiv kommunizieren sollen. Vor allem jetzt, wo wir sehen, dass die Sensibilität dieses Themas so gross ist», sagte Bundeskanzler Viktor Rossi im «Tagesgespräch» von Radio SRF. Die Bundeskanzlei will nun mit den Kantonen ein engmaschigeres Monitoring des Unterschriftensammelns aufbauen.
Die Staatspolitische Kommission des Nationalrats lehnt Anträge für Gesetzesänderungen vorerst ab. Sie will erst die Strafuntersuchungen abwarten. Die Geschäftsprüfungskommission des Ständerats will ihrerseits abklären, ob und wie die Bundeskanzlei ihre Aufgabe wahrgenommen hat.
Auf der bürgerlichen Seite sieht man weniger Handlungsbedarf: «Wir haben ganz klar keine Krise der direkten Demokratie und der Volksrechte in der Schweiz», meint Christian Wasserfallen (FDP/BE). «Man hat diese Betrügereien aufgedeckt. Die Bundesanwaltschaft ist dran, ein Strafverfahren zu verfolgen. Das Verfahren läuft. Und aus diesem Grund ist es jetzt vor allem eine Frage des Strafrechts und nicht der politischen Aktivitäten.»
In einer Stellungnahme der Bundeskanzlei von vergangener Woche schreibt die Bundeskanzlei: «Ihres Erachtens liegen keine belastbaren Indizien vor für die Vermutung, dass über Vorlagen abgestimmt wurde, die nicht rechtmässig zustande gekommen sind.»
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