Eine Allianz aus der Zivilgesellschaft hat in Bern den Text ihrer «Europavolksinitiative» präsentiert. Lanciert wird sie noch nicht, doch sie soll die parlamentarischen Bemühungen um ein Europa-Gesetz beeinflussen.
Hinter dem Vorhaben stehen neben den Grünen Schweiz die Organisationen Operation Libero, La Suisse en Europe, Suisseculture sowie der Verband der Schweizer Studierendenschaften (VSS). «Unser Ziel ist klar. Wir, die Europa-Allianz, treten an, um die Europa-Politik zu deblockieren und um die Scherben aufzuräumen, die der Bundesrat mit dem einseitigen Verhandlungsabbruch für ein Rahmenabkommen verursacht hat», sagte Grünen-Vizepräsidenten Sibel Arslan vor den Medien.
Eine Initiative vorstellen, aber noch nicht lancieren – das ist in der Tat speziell. Doch die Allianz will nun zuerst einmal Druck machen. Damit sich die Politik wieder ernsthaft bemüht, die offenen Fragen im bilateralen Verhältnis mit der EU zu klären. Falls das nicht geschieht, soll die Unterschriftensammlung starten.
Breit abgestützt ist die Allianz nicht, fehlen doch mit Ausnahme der Grünen alle grossen Parteien, die Wirtschaftsverbände und beispielsweise auch die Europäische Bewegung Schweiz. Das ist sicherlich ein Schwachpunkt beim Initiativ-Projekt.
Warum so viele Abwesende?
In vielen europafreundlichen Kreisen überwiegt die Ansicht, dass diese Initiative nichts bringt. Sie verweisen darauf, dass es im Parlament und auch im Bundesrat wieder Bestrebungen gibt, um den bilateralen Weg zu retten. Und dass gerade der Ukraine-Krieg oder die drohende Energieknappheit zeigten, wie wichtig die europäische Zusammenarbeit sei. Dies bringt laut SP und Grünliberalen mehr als die Androhung einer Initiative. Kommt dazu, dass im Falle einer Lancierung mehrere Jahre bis zu einer Volksabstimmung vergehen würden.
Im Parlament laufen zudem aktuell die Vorarbeiten für ein sogenanntes Europa-Gesetz. Nach dem Nationalrat soll nun nächstens der Ständerat die Grundlagen verabschieden. Auch dieses verlangt, dass die Schweiz die institutionellen Fragen mit der EU klären müsse.
Allerdings steckt der Teufel im Detail. Die Eckwerte für das Gesetz müssen noch ausgearbeitet werden. Und noch etwas kommt dazu, was für das geplante Gesetz wie auch für die vorgestellte Initiative gilt: Was immer in der Schweiz beschlossen ist – um wirklich eine Lösung zu finden, braucht es auch die andere Seite, die EU.
Noch viele rote Linien
Das ist genau der schwierige Punkt, dass die roten Linien so unterschiedlich sind. So befürchten die Bürgerlichen, dass wegen der Unionsbürgerrichtlinie Einwanderer aus der EU einen leichteren Zugang in die Schweizer Sozialsysteme hätten. Die linke Seite warnt, dass Veränderungen bei den flankierenden Massnahmen den Arbeitnehmerschutz schwächen könnten.
Diskussionen über diese Themen gibt es sehr wohl. So kam kürzlich ein Bericht der Eidgenössischen Finanzkontrolle zum Schluss, dass man die Arbeitskontrollen effizienter durchführen könnte, ohne dass die Arbeitnehmer darunter leiden. Aber da kam gleich der Widerspruch von den Gewerkschaften. Von einer Einigung ist man noch weit entfernt.