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Verhältnis Schweiz-EU In Brüssel glaubt kaum noch jemand an ein Rahmenabkommen

Für die Schweizer Gewerkschaften sind die flankierenden Massnahmen unverhandelbar. Die EU gibt sich diplomatisch – noch.

Das vom Bundesrat angestrebte Rahmenabkommen mit der EU rückt in immer weitere Ferne. Die heutigen Gespräche über allfällige Anpassungen der flankierenden Massnahmen fanden heute wie am Mittwoch angekündigt ohne die Gewerkschaften statt. Für sie ist der Schweizer Lohnschutz unverhandelbar.

Zankapfel flankierende Massnahmen

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Position der EU

Die EU wird einem Rahmenabkommen ohne Schweizer Zugeständnisse bei den flankierenden Massnahmen zum Schutz vor Lohndumping nicht zustimmen. Europäische Unternehmer stören sich insbesondere an der 8-Tage-Regel. Diese verpflichtet sie, Einsätze in der Schweiz mindestens acht Tage vorab anzumelden. Nach Ansicht der Kommission ist das diskriminierend, das EU-Recht biete ausreichenden Schutz vor Lohndumping.

Position der Schweizer Gewerkschaften

Diese Auffassung teilen die Schweizer Gewerkschaften nicht. Die EU-Entsenderichtlinie biete nicht das gleiche Schutzniveau wie die flankierenden Massnahmen in der Schweiz, heisst es beim Gewerkschaftsbund (SGB). Die Gewerkschaften befürchten einen Abbau beim Lohnschutz und künftige Einflussnahme der EU in dem Bereich.

Position des Bundesrates

Mit dieser Haltung wussten die Gewerkschaften bisher auch den Bundesrat hinter sich. Vorläufig gehört der Lohnschutz zu den roten Linien der Landesregierung. Vor den Sommerferien hatte das Gremium dann jedoch Volkswirtschaftsdirektor Johann Schneider-Ammann beauftragt, mit den Sozialpartnern den Spielraum auszuloten.

Weil dieser Lohnschutz aus EU-Sicht jedoch eine Verletzung des Freizügigkeitsabkommens darstellt, verlangt sie genau hier ein Entgegenkommen der Schweiz. Ihrerseits ist die EU-Kommission in den Verhandlungen Bern in der Frage der Streitschlichtung entgegengekommen.

Brüssel glaubt nicht mehr an ein Abkommen

Dass mit dem Gesprächs-Boykott der Schweizer Gewerkschaften ein auch innenpolitisch tragfähiges Verhandlungsergebnis kaum noch möglich scheint, kommentiert Brüssel offiziell zwar noch zurückhaltend. Gegenüber Journalisten liess Kommissionssprecherin Mina Andreeva lediglich durchblicken, dass die Entwicklung die Verhandlungen über ein Rahmenabkommen nicht erleichtere. Ein Abschluss werde «nicht einfach» sein.

Tatsächlich glaubten die Verantwortlichen der EU-Kommission nicht mehr wirklich an den Abschluss eines Rahmenabkommens, sagt Brüssel-Korrespondent Sebastian Ramspeck. Dies werde hinter vorgehaltener Hand mittlerweile unverhohlen geäussert.

Keine neuen Bilateralen – und noch weitere «Retourkutschen»?

«Damit gäbe es auch keine neuen bilateralen Verträge wie beispielsweise einen Stromvertrag», so Ramspeck weiter. Ob die EU darüber hinaus mit Nadelstichen reagieren würde, entschiede sich wohl erst Ende des Jahres in enger Abstimmung mit den 28 Mitgliedstaaten.

Ein solcher Nadelstich könnte beispielsweise der Todesstoss für die Anerkennung der Schweizer Börse durch die EU sein. Bisher anerkennt Brüssel die für die hiesige Börse vitale Schweizer Börsenregulierung nur bis Ende 2018 als gleichwertig an.

Gespräche fanden ohne Gewerkschaften statt

Die von Volkswirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann angeregten Gespräche zur Auslotung eines allfälligen Spielraums bei den Flankierenden Massnahmen fanden derweil nur mit Arbeitgebern, Bund und Kantonen statt.

Dabei sei es darum gegangen, die Möglichkeiten administrativer Vereinfachungen beim Lohnschutz zu erörtern, ohne qualitativ etwas zu verlieren, sagte am Rande des Treffens Gewerbeverbands-Direktor Hans-Ulrich Bigler. An einem eigentlichen Abbau der Flankierenden Massnahmen habe «niemand ein Interesse.»

Über den genauen Inhalt der Gespräche wurde bisher nichts bekannt. Dieser sei rein technischer Natur, hiess es sowohl von Verbandsseite als auch von Kantonen und aus dem Volkswirtschaftsdepartement.

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