Der Bundesrat möchte in diesem Jahr das Verhältnis mit der Europäischen Union regeln. Mit dem sogenannten Paketansatz sollen neue Abkommen möglich sein. Noch bevor die erste Verhandlungsrunde begonnen hat, kritisiert der Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, Pierre-Yves Maillard, in der «NZZ am Sonntag» den Entwurf für die Verhandlungen.
Sollte der Bundesrat sich nicht bewegen in Sachen EU-Paket, riskiere er eine Totalblockade, droht Gewerkschaftsboss Pierre-Yves Maillard. Die Gewerkschaften hätten beim Lohnschutz Kompromissbereitschaft signalisiert, und nun erwarteten sie konkrete Gegenleistungen:
- keine Übernahme des EU-Spesenreglements
- mehr allgemeinverbindliche Gesamtarbeitsverträge
- keine Liberalisierung des Schienenverkehrs
- keine Öffnung des Strommarktes
Dass Maillard gerade jetzt mit diesen Forderungen vorprescht, sei ein Vorgeschmack auf die kommenden Auseinandersetzungen, so SRF-Bundeshauskorrespondent Raffael von Matt.
Der Präsident des Gewerkschaftsbundes will einen möglichst hohen politischen Preis für ein Entgegenkommen aushandeln. Es ist politisches Powerplay.
«Mit dem Interview signalisiert er dem Bundesrat und der Arbeitgeberseite: ‹Mit uns ist zu rechnen, wir werden nicht einfach nachgeben›», schätzt von Matt weiter ein. «Der Präsident des Gewerkschaftsbundes will damit Zugeständnisse herausholen, er will einen möglichst hohen politischen Preis für ein Entgegenkommen aushandeln. Es ist politisches Powerplay.»
Pierre-Yves Maillard lässt keine Zweifel daran, dass er aufs Ganze geht: «Es besteht keine Chance, dass die Gewerkschaften dem vom Bundesrat präsentierten Paket so zustimmen. Niemand soll sich da Illusionen machen.»
Auch der Arbeitgeberverband spricht von Powerplay
Auf Anfrage der «Tagesschau» verweist der Arbeitgeberverband auf Aussagen seines Präsidenten Roland Müller Mitte Dezember, die immer noch Gültigkeit hätten. Müller stellte die rhetorische Frage, ob die Gewerkschaften die Lage für «ideologische Gewerkschaftspolitik» missbrauchten, «die sich mit den Verhandlungen mit der EU nicht begründen lässt. Dazu gehören der Ruf nach schweizweiten Mindestlöhnen und die Ausweitung von Gesamtarbeitsverträgen.»
Man sei den Gewerkschaften entgegengekommen und in manchen Fragen sei man sich sogar einig. Das Interview Maillards bezeichnet der Arbeitgeberverband heute gegenüber der «Tagesschau» als «Powerplay».
Einigung alles andere als selbstverständlich
Das Interview von Maillard in der NZZ sei ein Paukenschlag, sagt von Matt weiter. «Es signalisiert, dass eine Einigung mit den Gewerkschaften alles andere als selbstverständlich ist.» Dadurch werde die europapolitische Stimmung etwas getrübt, denn die Gewerkschaften spielten hier ihre politische Macht aus. «Doch der Bundesrat hat es in der Hand, im EU-Dossier eine Lösung zu zimmern, die innenpolitisch mehrheitsfähig ist», so von Matt.