In der Schweizer Politarena sind Nehmerqualitäten gefragt. Das weiss auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen: So verkündete sie heute in Bern, dass die Schweiz und die EU ein «Kraftpaket für die Zukunft» geschnürt hätten.
Sollte es die anstehenden politischen Kämpfe überleben, darf es sich mit Fug und Recht «Kraftpaket» nennen. Einen Vorgeschmack gab es frühmorgens auf dem Bundesplatz: Dort wartete die versammelte SVP-Spitze – bewaffnet mit einer Hellebarde.
Von der Leyen sprach von einem «historischen Abkommen», das angesichts der angespannten Weltlage umso wichtiger sei. In Zeiten von Kriegen sowie wirtschaftlichem und machtpolitischem Druck auf Europa sei es nicht nur von Vorteil, sondern eine Notwendigkeit, gemeinsam Stärke zu zeigen.
Der Bedeutung des Dossiers angemessen traten im Anschluss gleich drei Bundesräte vor die Medien in Bern. Aussenminister Ignazio Cassis, Wirtschaftsminister Guy Parmelin und Justizminister Beat Jans stellten das Vertragspaket vor, das das bilaterale Verhältnis mit Brüssel neu regeln soll.
Ein Feuerring um Europa
Auch Cassis beschwor den Ernst der Lage und sprach von einem «Ring of Fire», der um Europa herum lodere: «Die Welt wird fragmentierter und weniger demokratisch. Deswegen ist es entscheidend, stabile Beziehungen mit den Nachbarn zu haben.»
Zeitgleich mit den drei Bundesräten sprach EU-Kommissar Maros Sefcovic in Brüssel zu den Medien. Auch er wählte weihevolle Worte. Die Vereinbarung stelle das «menschliche Gesicht» der engen Partnerschaft dar, die Schweiz und die EU seien «mehr als Nachbarn», gerade in diesen unsteten Zeiten.
Bundesrat erfreut über Ergebnis
Mit Freundschaftsbekundungen allein wird allerdings keine Politik gemacht. Nicht umsonst wurde monatelang um jedes Detail des Abkommens gerungen.
Im Medienzentrum des Bundeshauses ging es dann auch ans Eingemachte: Lohnschutz, Personenfreizügigkeit, dynamische Rechtsübernahme – die drei Bundesräte äusserten sich ausführlich zu den Streitpunkten bei den Verhandlungen.
Der Tenor: Das Vertragspaket sei deutlich vorteilhafter als das Rahmenabkommen, das der Bundesrat vor dreieinhalb Jahren spektakulär versenkt hat. Die Schweizer Unterhändler in Brüssel hätten die «im Verhandlungsmandat festgesetzten Ziele erreicht.» Ihnen sei es gelungen, ausgewogene Lösungen zu finden, die im beidseitigen Interesse seien.
«Natürlich hätten wir gerne noch mehr erreicht», sagte Chefunterhändler Patric Franzen. Bei beiden Seiten herrsche nach dem neunmonatigen Verhandlungsprozess die «übliche mittlere Unzufriedenheit».
Für Justizminister Jans sind etwa die mit der EU ausverhandelten Lösungen bei der Personenfreizügigkeit «besser als der Status quo ohne Einigung.» Bildungsminister Parmelin zeigte sich erfreut über die Wiederaufnahme der Schweiz am EU-Forschungsprogramm Horizon ab Anfang 2025.
Parlament und Volk übernehmen «Hauptrolle»
Cassis erklärte abschliessend, man sei «stolz auf das Ergebnis». Die Interessen der Schweiz hätten besser verteidigt werden können als beim Rahmenabkommen, das scheiterte, noch bevor es durch die Mühlen der Schweizer Politik gehen musste.
Dieser Spiessrutenlauf steht dem «Kraftpaket» noch bevor. Oder, wie es Bundespräsidentin Amherd ausdrückte: «Die politischen Debatten sind lanciert.» Bald schon würden das Parlament und die Stimmbevölkerung die Hauptrollen übernehmen.