Seit die Schweiz wieder mit der EU über die Zukunft der bilateralen Abkommen verhandelt, dringt wenig nach aussen. Doch die Erwartungen im Inland sind hoch. Der Bundesrat solle vor allem die Personenfreizügigkeit nochmals hart verhandeln, erwartet selbst der Wirtschaftsverband Economiesuisse.
Der Wirtschaftsdachverband betont zwar auch, die Personenfreizügigkeit sei gerade in Zeiten des Fachkräftemangels unverzichtbar für die Schweizer Unternehmen. Doch in letzter Zeit erwähnt Economiesuisse auffallend oft die negativen Folgen der Zuwanderung.
Eine der Massnahmen könnte die neue Schutzklausel sein, die der Bundesrat in den EU-Verhandlungen konkretisieren will.
Man anerkenne, dass die Zuwanderung enorm hoch gewesen sei in den letzten Jahren, sagt Economiesuisse-Direktorin Monika Rühl. «Es braucht geeignete Massnahmen», meint Rühl. «Wir können uns vorstellen, dass eine der Massnahmen die neue Schutzklausel sein könnte, die der Bundesrat in den Verhandlungen mit der EU gegenwärtig konkretisieren will.»
Nächste SVP-Initiative steht vor der Tür
Viele Sorgen bereitet grossen Teilen der Wirtschaft die neuste SVP-Zuwanderungsinitiative. Die SVP reichte im März die sogenannte Nachhaltigkeitsinitiative ein. Die Forderung: Die ständige Wohnbevölkerung dürfe zehn Millionen nicht überschreiten.
SVP-Parteileitungsmitglied Franz Grüter findet die Idee einer griffigeren Schutzklausel bei der Personenfreizügigkeit mit der EU zwar gut, aber das reiche nicht. «Vor allem im Asylbereich ist die Zuwanderung enorm», sagt Grüter. Eine Schutzklausel mache die SVP-Initiative darum nicht überflüssig.
Zurzeit verhandelt die Schweiz mit der EU über eine Weiterentwicklung der bilateralen Abkommen. Das Vertragspaket wird wohl fast zeitgleich an die Urne kommen wie die neue SVP-Zuwanderungsinitiative.
Für Mitte-Aussenpolitikerin Elisabeth Schneider-Schneiter (Baselland) ist eine Schutzklausel darum umso wichtiger. «Diese Initiative der SVP trifft den Nerv der Bevölkerung», räumt Schneider-Schneiter ein. «Daher ist die Diskussion über einen Schutzklausel-Mechanismus wichtig.» Eine griffigere Schutzklausel könne allenfalls auch als Gegenentwurf zur Nachhaltigkeitsinitiative der SVP dienen.
EU-Rechtsexpertin Astrid Epiney von der Universität Freiburg kommt zum Schluss, die heutige Schutzklausel, die im Personenfreizügigkeitsabkommen mit der EU erwähnt wird, sei sehr vage formuliert. Es würde sich lohnen, diese Schutzklausel zu konkretisieren, sagt sie.
«Man könnte sich etwa vorstellen, dass man gewisse Prozentzahlen der Zuwanderung in einem bestimmten Referenzraum definiert», meint Epiney. Die Frage sei allerdings, ob die EU darauf eintreten würde oder nicht.
Ob die Schweiz eine griffigere Schutzklausel mit der EU aushandeln kann, ist sehr ungewiss. Bis jetzt ist nicht einmal klar, ob die EU bereit ist, in der jetzigen Verhandlungsphase über die Schutzklausel zu sprechen.