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Verhinderung von Missbrauch Katholische Priester müssen zum Psychotest: Das ist das System

Die katholische Kirche verschärft die Massnahmen gegen Missbrauch. Nun gibt es erste Einblicke in einen Priestertest.

Die Pilotstudie der Universität Zürich vom Herbst 2023 gilt bis heute als Meilenstein in der Aufarbeitung sexueller Gewalt in der römisch-katholischen Kirche. Historikerinnen deckten schweizweit über 1000 Missbrauchsfälle auf. Erstmals zeigten klare Zahlen das Ausmass der sexuellen Übergriffe. Die katholische Kirche sah sich zum Handeln gezwungen.

Die Schweizer Bischöfe erarbeiteten mehrere Massnahmen, um sexuellem Missbrauch entgegentreten zu können. Eine dieser Massnahmen sieht vor, dass problematische Persönlichkeiten bereits früh identifiziert werden. Sprich: Kirchliche Mitarbeiter sollen vor Dienstantritt überprüft werden – so wie es für angehende Seelsorger bereits üblich ist.

Überarbeitung des Rekrutierungssystems

Im Juni haben die Vorbereitungen für diesen Test begonnen, nun gibt der forensische Psychologe Jérôme Endrass, der das System mitentwickelt hat, erste Einblicke in die Arbeit. «Wir haben eigentlich ein Rekrutierungssystem vorbereitet», sagt er.

«Wir schauen auf der einen Seite, ob jemand die nötigen Qualifikationen mitbringt, persönlich, aber auch intellektuell. Und auf der anderen Seite schauen wir, ob jemand gewisse Risikofaktoren hat, also Ballast, der gegen eine Anstellung sprechen würde.»

Mann in kariertem Hemd vor Bücherregal.
Legende: Der forensische Psychologe Jérôme Endrass hat zusammen mit der Kirche einen Eignungstest für angehende Priester ausgearbeitet. ZVG

In einem ersten Schritt hat Endrass dafür zusammen mit der Kirche Anforderungsprofile erstellt. Es wurden Eigenschaften definiert, die für die Ausübung einer kirchlichen Funktion wichtig sind.

Weitere Massnahmen der Kirche gegen sexuellen Missbrauch

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  • Schaffung einer kirchenunabhängigen Anlauf- und Meldestelle für Betroffene
  • Professionalisierung des Personalwesens
  • Planung eines kirchlichen Straf- und Disziplinargerichts
  • Studie von Historikern über Perspektive der Opfer

«Dann schauen wir aber auch, ob Personen gewisse Risikomerkmale aufweisen», erklärt Endrass. «Diese Risikoanalyse wird gemacht von forensischen Expertinnen und Experten, die getrennt vom anderen Teil der Rekrutierung ganz spezifisch abklopfen, ob man es mit Leuten zu tun hat, die ihre Funktion missbrauchen. Dafür setzt man keinen Fragebogen ein, das sind bestimmte Vorgehensmethoden aus der forensischen Praxis.»

Herrisch, dominant, kränkbar

Eines der häufigeren Probleme, das Experten in Gesprächen erörtern, seien «Menschen, die wahnsinnig herrisch und dominant sind», sagt Endrass. «Menschen, die keine andere Meinung zulassen, kränkbar sind und in einer entsprechenden Position ihre Macht missbrauchen, indem sie den Leuten in ihrem Umfeld das Leben schwer machen.»

Entscheidend seien aber auch diese Fragen: Gibt es Auffälligkeiten in der sexuellen Entwicklung? Gibt es Auffälligkeiten in der Art und Weise, wie Beziehungen hergestellt werden? Endrass sagt: «Man analysiert das ganze Spektrum – vom Bereich, wie jemand seine Beziehungen allgemein gestaltet, bis hin zum Bereich, welche Auffassungen jemand von einer Intimpartnerschaft hat.»

Fehlrekrutierungen können weiterhin passieren

Dieser neue Eignungstest, der rund einen Tag lang dauern wird, sei jedoch keine Garantie, dass nicht weiterhin Leute falsch rekrutiert werden. «Man muss mit Sicherheit davon ausgehen, dass auch da weiterhin Fehler passieren», so Endrass. «Es ist kein perfektes System, aber es ist ein viel besseres System als das bisherige.»

Zürcher Kirche: «Schritt in die richtige Richtung»

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Die katholische Kirche des Kantons Zürich begrüsse das neue Rekrutierungssystem, sagt der Sprecher Simon Spengler. Entscheidend sei, dass die Kirche nun auf Experten von aussen setze und diese in die Verantwortung hineinnehme. Allerdings sieht Spengler noch offene Fragen: «Was passiert etwa, wenn jemand den Test nicht besteht? Oder wenn erst nach der Priesterweihe festgestellt wird, dass eine Persönlichkeit dieser Aufgabe nicht gewachsen ist?» Diese ungeklärten Fragen werden derzeit noch intensiv diskutiert, sagt Spengler.

Das System, das ähnlich zum Beispiel auch in sicherheitsrelevanten Bereichen der Armee eingesetzt wird, ist nun der römisch-katholischen Kirche übergeben worden. Wie sie das neue System implementieren will, wollte etwa das zuständige Bistum Chur auf Anfrage von SRF noch nicht sagen. In einer Mitteilung teilt es lediglich mit, dass man Mitte Januar über das neue Rekrutierungssystem informieren will.

Regionaljournal Zürich Schaffhausen, 7.1.2025, 17:30 Uhr ; 

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