Aktuell sind die Intensivstationen der Schweizer Spitäler gesamthaft zu drei Vierteln ausgelastet. Doch dieser Durchschnittswert täuscht etwas: Denn in vielen Intensivstationen sind nur noch wenige Betten frei, beispielsweise im Zürcher Universitätsspital sind es momentan nur deren zwei.
Schwierige Lage in Biel
Deshalb schlagen gewisse Spitäler ernste Töne an – so etwa Kristian Schneider, Direktor des Spitalzentrums Biel: «Ich bin absolut der Meinung, dass wir es mit einer sanitären Krise zu tun haben. Wir waren nicht in dem Sinne vorbereitet und sind nicht davon ausgegangen, dass die zweite Welle eine so massive Auswirkung auf das Versorgungssystem haben wird.»
Die regionalen Unterschiede sind gross: Besonders hart ist die Westschweiz getroffen, wie Jean-Daniel Chiche vom Universitätsspital Lausanne sagt: «Die Lage auf den Intensivstationen der Westschweiz ist weiterhin extrem angespannt.»
Die Lage auf den Intensivstationen der Westschweiz ist weiterhin extrem angespannt.
Die Auslastung liegt dort jeweils bei 80 bis 90 Prozent. Das Waadtländer Kantonsspital beispielsweise musste die Bettenzahl in der Intensivstation verdoppeln, um alle Patientinnen und Patienten aufnehmen zu können.
Hilfe aus der Deutschschweiz
Auch sind die Westschweizer Spitäler sind auf Hilfe aus der Deutschschweiz angewiesen: In der vergangenen Woche wurden rund 35 Patienten aus der Westschweiz in andere Spitäler verlegt, die derzeit mehr Kapazitäten haben, also insbesondere in die Deutschschweiz.
Wir haben in der zweiten Welle 30 Prozent ausserkantonale Patienten behandelt.
Diese Zusammenarbeit unter den Schweizer Krankenhäusern ist zentral, um die aktuelle Krise zu meistern. Und die Zusammenarbeit funktioniere gut, betont Peter Steiger vom Universitätsspital Zürich: «Wir haben in der zweiten Welle 30 Prozent ausserkantonale Patienten behandelt.»
Personalsituation spitzt sich zu
Dabei ist die Kapazität der Intensivstationen nur ein Aspekt: Für jedes Spitalbett braucht es auch Personal, das die Patienten betreuen kann. Und das Personal ist knapp, wie Gregor Zünd vom Zürcher Unispital sagt: «Das Engnis sind bei uns nicht Betten, sondern das Personal. Deshalb wird dieses Personal zugunsten der Intensivstationen dort eingesetzt.»
Und deshalb suchen viele Spitäler momentan zusätzliche Pflegefachleute. Das bestehende Personal leidet, weil die Belastung seit dem Frühling sehr hoch ist.
Kündigungen wegen Überlastung
Myriam De Gregorio arbeitet als diplomierte Pflegefachfrau im Aargauer Kantonsspital. Sie erzählt, dass der ganze Sommer sehr anstrengend gewesen sei, weil man verschobene Operationen habe nachholen müssen.
«Dann kamen Kündigungen vom Team, weil die Belastung zu hoch ist», so De Gregorio. Es werde sehr viel verlangt: Überzeiten, keine Mittagspausen. Man habe vielleicht ein Sandwich gegessen und weitergearbeitet. Über längere Zeit sei das sehr belastend.
Entlastung des Personals nötig
Der Bieler Spitaldirektor Schneider versteht die Sorgen des Personals: «Es ist eine schwierige Arbeit und wir erwarten zurzeit von Pflegepersonal und Ärzten fast Übermenschliches. Darauf müssen wir unser Augenmerk legen.»
Wir erwarten zurzeit von Pflegepersonal und Ärzten fast Übermenschliches.
Es sei wichtig, das Personal auch wieder zu entlasten – sonst könnten die Kündigungen weiter zunehmen, so Schneider. Die Beispiele zeigen: Das Gesundheitswesen ist der hohen Belastung bisher gewachsen. Doch viel Spielraum bleibt nicht mehr.