Gestern hat das EU-Parlament einer umstrittenen Asylreform zugestimmt. Künftig sollen Asylsuchende an den Aussengrenzen der EU härter angegangen werden. Zuvor war jahrelang über das europäische Asylrecht gestritten worden. Was das für die Schweiz heisst, erklärt der Migrationsforscher Gianni D'Amato.
SRF News: Was heisst diese EU-Reform für Menschen, die in der Schweiz Asyl suchen?
Gianni D’Amato: Für die Menschen, die direkt in der Schweiz Asyl suchen, heisst es noch nicht viel. Wenn die Flüchtlinge in einem Asylzentrum im Dublin-Raum ein Gesuch stellen, wird abgeklärt, ob sie einen plausiblen Asylgrund angeben können. Falls nicht, würden sie ausgewiesen. Dies funktioniert auch in der Schweiz so.
Ein Ziel der EU-Staaten ist es, dass weniger Asylsuchende nach Europa kommen. Wenn das so umgesetzt wird, kommen dann auch weniger Asylsuchende in die Schweiz?
Wenn diese Reform effektiv umgesetzt wird, würden auch weniger Personen in die Schweiz kommen, weil sie ja vorher abgefangen werden. Grundsätzlich geht es nicht darum, dass weniger kommen. Sondern darum, dass die Migrations- oder Flüchtlingsströme gesteuert werden. Denn in Europa gibt es unterschiedliche Politiken, Anerkennungsquoten und Praktiken. Diese sollen besser koordiniert werden.
Die Asylreform sieht auch vor, dass Asylsuchende, die in Italien oder Griechenland sind, von anderen EU-Ländern aufgenommen werden. Die Schweiz übernimmt immer mal wieder EU-Recht. Auch hier?
Die Schweiz war bei diesen Formen des Lastenverteilungsmechanismus immer beteiligt. Seit den 90er-Jahren war die Schweiz auch federführend bei Kooperationen in Bezug auf das Asylwesen. Deshalb gehe ich davon aus, dass die Schweiz ihren Teil als Frontexstaat auch übernehmen wird.
Ich gehe davon aus, dass die Schweiz ebenfalls in einen Übernahmeprozess einsteigen wird.
Auch die Schweiz will ihre Asylpolitik verschärfen. Kann sie von der EU-Reform profitieren oder diese übernehmen?
Das ist schwer abzuschätzen. Es hängt auch von den innenpolitischen Diskussionen ab. Aber ich gehe davon aus, dass die Schweiz ebenfalls in einen Übernahmeprozess einsteigen wird, wenn die Direktiven formuliert sind.
Das Gespräch führte Romana Kayser.