Sie ist jung, Pflegefachfrau und betreut Patientinnen und Patienten selbstständig in der Hausarztpraxis «Im Lenzhof» in Lenzburg (AG). Rahel Hottinger ist eine Advanced Practice Nurse (APN), eine Fachperson mit Pflegepraxis und Masterstudium.
Weil die Hälfte der Schweizer Hausärzte in den nächsten zehn Jahren pensioniert wird, könnten diese APN gerade ländliche Hausarztpraxen «retten», glauben Fachleute. Ein Patentrezept?
«Ich mache bei älteren Patienten Hausbesuche, aber auch Beratungen in der Praxis. Auch Notfalltermine übernehme ich», erklärt Rahel Hottinger SRF.
Ich kam damals notfallmässig in die Praxis, weil kein Arzt Zeit hatte.
An diesem Morgen kontrolliert sie eine Patientin, die vor ein paar Wochen einen Bänderriss hatte. «Ich kam damals notfallmässig in die Praxis, weil kein Arzt Zeit hatte. Ich bin happy, dass es diese APN gibt», sagt die Patientin.
Hottinger selber wollte seit Längerem als APN in einer Hausarztpraxis arbeiten. In ihrem Masterstudium hat sie sich speziell in diese Fachrichtung weitergebildet.
Ihren Chef, Hausarzt Marc Meili, freuts. «Ohne ihre Hilfe kann ich 20 bis 25 Patienten am Tag sehen. Mit ihrer Hilfe kann ich fünf bis zehn Patienten mehr betreuen am Tag.»
Pilotprojekt statt Dauerlösung?
Die Sache hat aber einen Haken. «APN sind gut qualifiziert, nur können wir sie uns nicht leisten», sagt Isabelle Fuss, Co-Präsidentin des Aargauer Verbandes der Haus- und Kinderärzte. Die Abrechnung über die ärztlichen Tarife (Tarmed) und die Krankenkasse gilt nämlich nicht für Advanced Practice Nurses. Die Kinderarzt- oder Hausarztpraxis muss die Fachkraft selbst bezahlen.
Momentan werden APN im Aargau im Rahmen eines Pilotprojekts der Gemeinde Muri vom Kanton gefördert. Hier ist der Aufbau einer interprofessionellen Hausarztpraxis geplant. Kostenpunkt: 1.46 Millionen Franken.
Andere Möglichkeiten gibt es im Aargau noch keine. Die Aargauer Regierung arbeitet an einer Gesetzesgrundlage, die eine Abrechnung via Tarmed-Tarif erlauben würde.
Vorbild aus dem Ausland
Er kenne das APN-Modell aus dem angelsächsischen Raum, sagt der Lenzburger Hausarzt Marc Meili. Aus England. In den USA können Nurse Practitioniers (so heissen akademisch ausgebildete Pflegefachkräfte hier) sogar selbstständig eine Praxis führen und Patienten ambulant behandeln. In Europa ist das nicht der Fall.
Im Spital habe er APN auf der Chirurgie erlebt, erzählt Hausarzt Meili. Das habe ihn überzeugt. Meili bezahlt seine APN aus der eigenen Tasche. «Aber mit etwas Unterstützung könnte man ihre Stellenprozente aufstocken.»
Noch nicht der Renner
Die grosse Entlastung für Hausärztinnen und Hausärzte seien APN noch nicht, sagen diverse Verbände auf Anfrage, zum Beispiel Philippe Luchsinger, Präsident des nationalen der Haus- und Kinderärzteverbandes.«Wir wissen, dass vor allem eher grössere Gruppenpraxen APN beschäftigen, oder teilweise auch kleinere Praxen miteinander, aber es ist sicher noch nicht der Renner.»
Zahlen, wie viele Advanced Practice Nurses in der Schweiz tätig sind, hat er nicht, aber er schätzt, dass in der Schweiz 20 bis 30 APN in Hausarztpraxen arbeiten. Das Patent-Rezept gegen den Hausärztemangel seien APN nicht, aber: «Sie helfen mit, die Aufgaben in der Betreuung der Patientinnen besser zu verteilen.»
Für die grosse Pensionierungswelle der Hausärztinnen und Hausärzte in den nächsten Jahren sind jedenfalls neue Versorgungsmodelle gefragt. Advanced Practiced Nurses könnten eine Lösung sein.