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Versprochene Häuser Bauchaos in Roggwil: Berner Kantonalbank gibt Fehler zu

In Roggwil BE versprachen zwei Geschäftsmänner Einfamilienhäuser und bauten sie nicht. Bauherren verloren hunderttausende Franken. Die meisten Hypotheken für dieses Projekt vergab die BEKB. Diese gibt nun zu: Wir haben Fehler gemacht.

«Alles geht kaputt. Wir haben so viel Geld gezahlt und haben jetzt nur das.» Bekira Studer zeigt auf einen grossen Erdhügel. Hier sollte eigentlich ihr Haus stehen. Doch auf ihrem Grundstück wurde nicht einmal der Aushub gemacht.

Bezahlt haben sie und ihr Mann gut 800‘000 Franken. Die Hypothek für das Haus erhielten Studers von der Berner Kantonalbank. Auch sieben weitere Bauherren wollten ihr Haus in Roggwil mithilfe der BEKB finanzieren. Bis heute steht keines.

Drei Personen stehen auf einer Baustelle mit Erdhügel.
Legende: An der Stelle dieses Erdhügels sollte das Haus der Familie Studer stehen. Rund 800'000 Franken hat die Familie bisher bezahlt. Doch bis heute wurde nicht einmal der Aushub gemacht. SRF Investigativ

Unternehmer Jürg Zesiger und die Firma House4me hatten das Projekt geplant. Für die Finanzierung der Häuser empfahl Zesiger vielen seiner Kunden die Filiale der Berner Kantonalbank in Lyss, insbesondere einen dortigen Kadermitarbeiter. Zesiger und der BEKB-Angestellte kennen sich offenbar seit Jahren.

Wie zwei Geschäftsmänner Häuser versprechen und Ruinen bauen 

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Im Sommer 2024 deckte SRF Investigativ den Bauskandal rund um die beiden Geschäftsmänner auf. Architekt Michel Badertscher und Unternehmer Jürg Zesiger versprachen in den letzten Jahren an verschiedenen Orten in der Schweiz immer wieder Häuser und bauten sie nicht. Sie hinterliessen verzweifelte Familien und Bauruinen. Die ganze Recherche lesen Sie hier.

Bauherren sagen, der Kadermitarbeiter habe Zesiger als vertrauenswürdigen Unternehmer beschrieben. Auffällig: Zesigers Firma House4me war ebenfalls Kundin bei der BEKB. Sie besass dort mehrere Konten. Verantwortlicher Bankberater: Der Kadermitarbeiter der BEKB Lyss.

Generalplaner «falsch eingeschätzt»

Auf Anfrage von SRF Investigativ schreibt die BEKB zur Geschäftsbeziehung zwischen ihr und Zesiger, man habe in der Vergangenheit keinen Anlass gehabt, an seiner Glaubwürdigkeit zu zweifeln: «Wir bedauern sehr, dass wir Herrn Zesiger falsch eingeschätzt haben und von ihm getäuscht und in die Irre geführt wurden.»

Zur mutmasslichen Nähe zwischen Zesiger und dem Kadermitarbeiter schweigt die Bank. Auf Anfrage von SRF bestreitet Jürg Zesiger diese Vorwürfe. Für ihn gilt die Unschuldsvermutung.

Der Generalplaner und die BEKB

In Roggwil gab es früh Verzögerungen. Ein knappes Jahr nach Baubeginn ging House4me das Geld aus, erklärt Studer: «Wir mussten nochmals 180‘000 Franken bezahlen.» Generalplaner Zesiger schlug einen Nachkredit vor. Die BEKB gewährte diese Kredite. Die Bauherren sorgten sich, da es auf der Baustelle kaum voranging. Familie Studer zeigte der BEKB Fotos der Baustelle: «Man sagte uns, es werde gebaut. Und dass niemand einen Ferrari mit unserem Geld finanziere.»

Die BEKB schreibt, sie habe die Nachkredite und Rechnungen geprüft: «Herr Zesiger informierte jeweils über Verzögerungen und nannte die aus seiner Sicht relevanten Gründe. Zum damaligen Zeitpunkt erschienen diese Begründungen nachvollziehbar. Unser Informationsstand entsprach stets demjenigen der Bauherrschaft, und etwaige Probleme wurden von unserer Seite nie negiert.»

Email von Jürg Zesiger an House4me
Legende: Generalplaner Zesiger informierte die Bauherren immer wieder über Verzögerungen auf der Baustelle. Hier im CC: Der zuständige Kadermitarbeiter der BEKB Lyss. SRF Investiagtiv

Im Juni 2024 ging House4me Konkurs. Das Geld ist weg, die Häuser stehen nicht. Von SRF Investigativ mit den Vorkommnissen rund um die Baustelle konfrontiert, gesteht die BEKB ein, Fehler gemacht zu haben: «Unsere Untersuchung hat ergeben, dass im Sommer 2023 verschiedene interne Abteilungen die Situation teilweise missinterpretiert haben, was zu fehlerhaften Schlussfolgerungen führte. Wir bedauern dies sehr und haben entsprechende Massnahmen definiert und umgesetzt.»

Das sagt der Vertragsexperte

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Hätte die Bank auf die Sorgen der Bauherren reagieren müssen?

Frédéric Krauskopf ist Professor für Privatrecht und Vertragsexperte an der Universität Bern. Er sagt, die Bank sei nicht die Rechtsberaterin der Bauherren.

Aber es gebe Ausnahmen: «Generell gilt: Wenn die Bank von wichtigen Gründen erfährt, die ein Bauprojekt vereiteln könnten, muss sie damit auf die Bauherrschaft zugehen. Sie muss sie informieren und warnen. Die Bank muss jederzeit gewährleisten, dass das Bauprojekt wie vereinbart realisiert werden kann, und dass die Vereinbarungen zwischen Bank und Bauherrschaft eingehalten werden.»

Zum Bauprojekt in Roggwil sagt er: «In diesem Fall müsste geprüft werden, ob die Bank ihre vertraglichen Pflichten verletzt hat und wenn ja, welche. Hat sie Sorgfalts-, Informations- oder Warnpflichten verletzt? Man müsste prüfen, ob es von der Bank unsorgfältig war, nichts zu unternehmen, nachdem offenbar Informationen von der Bauherrschaft an die Bank herangetragen wurden, die darauf hindeuteten, dass es mit dem Bau nicht so klappt wie geplant.»

Auch bei der Überprüfung des Generalplaners seien Fehler gemacht worden: «Als BEKB bedauern wir, dass wir bei der Überprüfung des Generalplaners nicht ausreichend Abklärungen getroffen haben. Wir haben diesen Prozess nun überarbeitet und strenger gestaltet.» In den kommenden Wochen sollen Gespräche über mögliche Lösungen zwischen den Bauherren und der BEKB stattfinden.

Lösungssuche – Hoffnung bei den einen, Sorge bei den anderen

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Aktuell sucht die Berner Kantonalbank eine Lösung für ihre Kunden. Eine Möglichkeit sehe vor, dass die Mehrkosten für die Fertigstellung der Häuser je zur Hälfte von den Bauherren und der BEKB getragen werden. «Wir befinden uns jedoch noch in der Lösungsfindungsphase und prüfen derzeit verschiedene Szenarien», schreibt die BEKB.

Der Vorschlag ist umstritten: Einige Bauherren sehen darin eine Chance, ihr Haus doch noch fertig bauen zu können. Und andere fürchten, sie könnten «ihren» Anteil nicht mehr finanzieren.

So auch Familie Studer. Peter Studer sagt: «Wie sollen wir den Bau finanzieren? Wir haben doch schon alles investiert. Vor allem, weil bei uns noch gar nichts steht.»

Regionaljournal Bern, 08.04.2025, 17:30 Uhr; sten

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