Das Basler Start-up-Unternehmen Growcer stellt die Landwirtschaft buchstäblich auf den Kopf: Mitten in der Stadt wachsen Salate übereinander. Die Anbau-Methode nennt sich denn auch «Vertical Farming».
Statt Tageslicht leuchten LED-Lampen. Statt in Erde wachsen die Pflanzen in Kokoswolle und Torf. Und statt Regen zirkuliert Wasser bis zu sechs Wochen in den Pflanzengefässen.
Geringer Wasserverbrauch
Growcer will so nachhaltig produzieren. Der Wasserverbrauch sei bis zu 90 Prozent geringer. Pestizide und Fungizide brauche es kaum. Der Strombedarf sei zwar gross, solle aber künftig mit einer Solaranlage gedeckt werden. Und vor allem: Die Produktion fände dort statt, wo die Produkte verkauft würden – direkt in der Stadt.
Growcer produziert das Blattgemüse in einer ehemaligen Lagerhalle auf dem Güterbahnhof Wolf in Basel; die Migros verkauft es 600 Meter weiter in einer Filiale. Und das seit bald einem Monat.
«Wir haben sechs Sorten und verkaufen aktuell rund 80 Packungen am Tag», sagt Moritz Weisskopf, Mediensprecher der Migros Basel. Das Sortiment wurde bereits angepasst: «Wir haben den Pak Choi herausgenommen. Dafür bieten wir mehr Wasabi Rucola an, der sehr gefragt ist.»
Roboter im Einsatz
Bereits wurden auch Verpackung und Preis angepasst. Statt 50 Gramm für 2.95 Franken gibt es nun 80 Gramm für 3.95 Franken. Die Herstellungskosten sind aber weitaus höher. Das Ganze sei auch ein Test.
Als Nächstes will Growcer die Anbaufläche von 400 auf 1500 Quadratmeter erhöhen und damit den Ertrag von 4 auf bis zu 20 Tonnen pro Jahr steigern. Daneben soll künftig ein Roboter die bisher rein manuelle Arbeit erledigen. Und im Winter würden Erdbeeren angebaut, um deren Import zu reduzieren.
Das Start-up plant zudem in der Ostschweiz eine weitere Anlage. «In Gossau bauen wir eine ‹Vertical Farm› auf 1300 Quadratmetern», verrät Growcer-Gründer Marcel Florian gegenüber SRF. «Die Halle steht direkt neben den Verteilzentren von Migros, Coop und Spar.» Entsprechend würden verschiedene Gespräche geführt.
Sterile Umgebung als Problem
Growcer betreibt die erste «Vertical Farm» der Schweiz. Weltweit gibt es aber bereits einige solche Unternehmen. Diese seien wichtig, um die Entwicklung voranzutreiben, sagt Ranka Junge, Leiterin des Bereichs Ökotechnologie der ZHAW. «Mit Covid-19 ist noch klarer geworden, dass sich die Städte nicht immer auf das Umfeld verlassen können, sondern dass auch in der Stadt Nahrung produziert werden muss.»
Die Expertin sieht aber noch einige Probleme. Eine grosse Gefahr seien etwa Pflanzenerkrankungen in der sterilen Umgebung. Und: «De facto sind solche Projekte selten kommerziell erfolgreich», sagt Ranka Junge, «denn der Konsument erwartet eine gewisse Qualität zu einem gewissen Preis.» Dies zu liefern, sei derzeit kaum möglich.
Growcer-Gründer Marcel Florian, der eine erste Investitionsrunde abgeschlossen hat, lässt sich nicht beirren: «Wir haben ein Projekt in Dubai, mitten in der Wüste. Und wir sehen unsere Farmen langfristig weltweit, auch in Drittweltländern, wo es wohl noch mehr Sinn macht als in der Schweiz.»