Der Tiefpunkt wurde am Sonntag erreicht: Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) musste sich öffentlich entschuldigen. In einer Stellungnahme korrigierte es die am Freitag publizierten Zahlen, wonach Corona-Ansteckungen hauptsächlich im Ausgang passierten. Das war grundfalsch.
Fehler eines einzelnen Mitarbeiters
Der Hauptansteckungsherd liegt tatsächlich mit 27 Prozent der Fälle innerhalb der eigenen Familie. In Bars, Clubs oder Restaurants stecken sich derzeit weniger als vier Prozent der Fälle an.
Heute folgte seitens des BAG die Präzisierung: Der Fehler unterlief einem einzelnen Mitarbeiter, das angestrebte interne «Vier-Augen-Prinzip» sei nicht erfolgt.
«Das Vertrauen wird untergraben»
CVP-Parteipräsident Gerhard Pfister verurteilt diesen Fehler gegenüber SRF mit aller Härte: «Ich stelle fest, dass sich die Fehlleistungen im BAG häufen. Das ist das Schlimmste, was in einer Krise passieren kann. Denn das Vertrauen der Bevölkerung in die Massnahmen muss erhalten bleiben. Das wird jedoch mit solchen Fehlleistungen massiv untergraben.»
Wachsendes Unverständnis
Das Unverständnis gegenüber dem BAG wächst: Für die Prävention zur Corona-Pandemie wurden bislang Milliarden von Franken ausgegeben. Jetzt ginge es um die Finanzierung einer laufenden Impfstudie, für die rund acht Millionen Franken benötigt werden. Doch das Bundesamt für Gesundheit verweigert vorerst eine finanzielle Beteiligung.
Auf Anfrage von SRF schreibt das BAG: «BAG-Direktor Pascal Strupler hat darauf hingewiesen, dass mit dem Hersteller des Impfstoffs Verhandlungen geführt würden.» Auch müsse die Rechtslage hinsichtlich der Möglichkeiten einer Unterstützung abgeklärt werden. «Pascal Strupler hat eine Antwort Anfangs August in Aussicht gestellt.»
Unklare Zuständigkeiten
SP-Nationalrätin Mattea Meyer nimmt das BAG in Schutz. Als Mitglied der Gesundheitskommission ist sie der Meinung, die Behörde leiste unter SP-Bundesrat Alain Berset «gute Arbeit». Sie betont, dass für die Finanzierung von Forschungsarbeiten wie einer Impfstudie nicht das Departement von Alain Berset, sondern vielmehr jenes von SVP-Wirtschaftsminister Guy Parmelin zuständig sei.
«Dem BAG fehlt es an Führung»
Weniger Verständnis zeigt Nationalrat und FDP-Fraktionschef Beat Walti. Er findet im SRF-Interview, im BAG fehle es an einer klaren Führung. Dies zeige sich an der Quarantäne-Regelung für Reiserückkehrer. Die Kantone sind für die Kontrolle der Massnahmen zuständig, brauchen dafür jedoch detaillierte Personen-Daten wie Passagier-Listen vom BAG. Diese Daten würden noch immer nur lückenhaft und zeitverzögert an die Kantone geliefert. Beat Walti: «Diese Herausforderungen waren absehbar». Das Bundesamt für Gesundheit hätte Zeit gehabt, diese Daten fristgerecht zusammenzutragen.
Die Coronakrise entwickelt sich zunehmend zur BAG-Krise. Patrick Mathys, Leiter Sektion Krisenbewältigung und internationale Zusammenarbeit, gesteht Fehler ein. Dass dadurch das Vertrauen in seine Behörde schwindet, glaubt er aber nicht.