In der Schweiz steigen die Corona-Fallzahlen wieder an. Die Behörden bereiten sich auf einen weiteren Pandemie-Winter vor. Doch das Coronavirus ist nicht das einzige Virus, das global für Schlagzeilen sorgt. Was kommt da auf uns zu? Virologin Isabelle Eckerle wagt einen Ausblick.
SRF News: Erleben wir momentan eine Häufung von Ausbrüchen von Infektionskrankheiten?
Isabella Eckerle: Ja. Das ist etwas, was wir nicht erst seit Corona beobachten, sondern bereits in den Jahren oder Jahrzehnten davor gesehen haben. Dass sogenannte Zoonosen, also Virus-Übergänge vom Tier in den Menschen oder von Wildtieren in Nutztiere und anschliessend in den Menschen, in ihrer Häufigkeit zunehmen. Man ist durch technischen Fortschritt auch besser darin geworden, sie zu detektieren.
Was ist der Grund für diese Zunahme?
Es wird vermutet, dass vor allem der menschengemachte Wandel eine Rolle spielt – also zum Beispiel Entwaldung oder zunehmende Abholzung von Regenwäldern. Dass der Mensch immer mehr in zuvor unberührte Gebiete vordringt, die zuvor intakte Ökosysteme waren. Vor allem Landnutzung spielt hier eine grosse Rolle. Wenn zum Beispiel Regenwälder abgeholzt werden, um Weiden für Nutztiere zu bekommen.
Der Mensch dringt immer mehr in unberührte Gebiete vor, die zuvor intakte Ökosysteme waren.
Zusätzlich geht man davon aus, dass auch der Klimawandel eine Rolle spielt, weil sich dadurch das Verhalten von vielen Arten verändern muss, um weiterhin Lebensgrundlagen zu finden. Vor allem das letztgenannte ist etwas, was man wahrscheinlich in Zukunft noch deutlicher bemerken wird. Dass Tiere aus ihrem bisherigen Lebensraum auswandern und vermehrt mit dem Menschen in Kontakt kommen, vor allem Wildtiere. Tiere konkurrieren auch untereinander viel stärker um Ressourcen. Dies sind Szenarien, in welchen es zu einem Überspringen von neuartigen Viren kommen kann.
Werden Pandemien oder Epidemien in Zukunft zu unserem Alltag gehören?
Man muss sich darauf vorbereiten, ja. Wir müssen schneller reagieren, oder anders gesagt: Wir müssen besser darin werden, diese neuen Erreger frühzeitig zu entdecken. Wenn wir solche neuen Erreger entdecken, solange sich diese noch in Wildtieren oder im Stadium befinden, wo sie im Zwischenwirt sind, hat man tatsächlich eine Chance, Epidemien oder auch Pandemien früh im Keim zu ersticken. Dafür braucht es aber eine verbesserte Virus-Überwachung.
Es gibt noch viele Wissenslücken, die man schliessen muss.
Teilweise machen wir das bereits – bei manchen Viren klappt es bereits gut, bei manchen weniger. Das Allerwichtigste ist die Prävention, also dass man dafür sorgt, dass unberührte Ökosysteme auch unberührt bleiben und der Mensch nicht zu sehr in die Natur vordringt, in welcher Wildtiere immer noch ihren Platz haben.
Bei welchen Viren funktioniert die Überwachung noch weniger gut?
Für Coronaviren hatten wir keine gute Überwachung, also für die Coronaviren in Tieren. Wir wussten, dass es diese Viren in Fledermäusen gibt. Aber es gibt kein weltweites Überwachungssystem. Im Gegensatz dazu gibt es für die Influenza oder Vogelgrippe gute Systeme. Im Prinzip entstehen diese Systeme meistens dann, wenn man bemerkt hat, dass dieses Virus das Potenzial hat, einen Ausbruch hervorzurufen. Auf unseren Listen haben wir viele Viren, die noch keinen oder nur kleine Ausbrüche hervorgerufen haben, für die wir jedoch keine flächendeckende und gute Überwachung haben. Es gibt noch viele Wissenslücken, die man schliessen muss.
Das Gespräch führte Simone Hulliger.