Der oberste Datenschützer Adrian Lobsiger fordert von Staat und Unternehmen, dass die Coronakrise keine bleibenden Beeinträchtigungen der Selbstbestimmung und der Privatsphäre der Bevölkerung zur Folge haben dürfe. Alle Eingriffe sollten verhältnismässig sein. «Am Tag danach», so Lobsiger im Vorwort des Jahresberichts, müsse die Gesellschaft ihre informationelle Selbstbestimmung unbeschadet wiederfinden.
Diese Baustellen beschäftigen den Datenschützer:
Swiss-Covid-App: Lobsiger war in den vergangenen Monaten insbesondere durch seine Stellungnahmen in Bezug auf die Swiss-Covid-App aufgefallen. Er habe sich erfolgreich dafür eingesetzt, dass die Analyse von Mobilitätsdaten anonym und dezentral erfolge.
Contact Tracing: Auch die Datenhinterlegungspflicht für Gäste in Bars und Restaurants war ein Thema. Er habe mehrmals darauf aufmerksam gemacht, dass die mit der Bekämpfung des Virus verbundenen Personendatenbearbeitungen nach Abklingen der Pandemie zu löschen oder anonymisieren sind. Seit Ende März kümmere sich eine verwaltungsinterne Taskforce Corona um diverse private und staatliche Projekte zur digitalen Bekämpfung der Seuche. Sie informiere laufend über die Arbeiten und deren Ergebnisse.
Datenschutzgesetz: Neben den datenschutzrechtlichen Fragen rund um die Pandemie sieht Lobsiger in seinem Bericht auch weitere Herausforderungen. Wichtig sei etwa die baldige Umsetzung der Reform des Datenschutzgesetzes. Voraussichtlich in der Herbstsession könnte die Vorlage vom Parlament verabschiedet werden.
Biometrische Daten: Der Datenschutzbeauftrage schätzt das technische und wirtschaftliche Potenzial für Eingriffe in die Privatsphäre und Selbstbestimmungsrechte der Bevölkerung in seinem Bericht als hoch ein. So gingen immer mehr Private dazu über, biometrische Daten in grossen Mengen automatisiert zu bearbeiten. Lobsiger rechnet damit, dass auch die Polizeiorgane von Bund und Kantonen bald Gesetze zur breiten polizeilichen Anwendung von Gesichtserkennungstechnologie forderten. «Solche wären aus Sicht des Beauftragten problematisch», heisst es im Bericht.
Datenklau: Weiteren Anlass zu Besorgnis geben dem Datenschützer auch die zwischen April 2019 und März 2020 zunehmend beklagten Verluste von Gesundheitsdaten, Personalkarteien, Kreditanträgen sowie Chat- und Mailinhalten. Mit jedem Datenklau steige das Meer ungeschützt zugänglicher Personendaten im Internet an und nehme die Privatsphäre schaden, schreibt Lobsiger. In der Pflicht stünden insbesondere die Betreiber grosser Clouds.
Ticketing-App: Auf dem Radar hat der oberste Schweizer Datenschützer ferner verschiedene Verkehrsbetriebe mit ihren Ticketing-Apps. Solche erwiesen sich oft als besonders heikel, weil diese leicht zu Persönlichkeitsprofilen führten, die sich nur mit grossem Aufwand pseudonymisieren oder gar anonymisieren liessen.
Tiktok: Auch die bei Kindern und Jugendlichen beliebte Videoplattform Tiktok ist im Fokus des Schweizer Datenschützers. Lobsiger habe die chinesische Betreiberin der App kontaktiert, da die Nutzungsbestimmungen für Schweizer Kunden unklar seien. Nun stehe er mit der britischen Datenschutzbehörde ICO in Kontakt, welche eine Abklärung gegen Tiktok eröffnet hat.