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Vor den Wahlen 2023 Die Schweiz der Superlative und ihre Sorgen

Was bewegt die Bevölkerung im jüngsten Dorf der Deutschschweiz? Sind Solarpanels in der Gemeinde mit den meisten Photovoltaikanlagen auf Dächern unbestritten? Kilchberg hat den höchsten Anteil an Einwohnern, die Englisch sprechen. Was bedeutet das Leben mit den Expats? Drei Ortsbesuche.

Klimawandel, Krankenkassenprämien, Zuwanderung, Versorgungs- und Energiesicherheit – das sind die Top-4-Themen, die die Schweizer Bevölkerung umtreiben. Zu lesen im neuesten Sotomo-Wahlbarometer vom 5. Juli.

Wir haben uns mit Menschen unterhalten, die in Gemeinden wohnen, wo sich diese Themen besonders manifestieren.

Besuch Nummer 1 in Auw

37.96 Jahre – so jung ist die Bevölkerung in der Aargauer Gemeinde im Durchschnitt. Somit ist Auw die Deutschschweizer Gemeinde mit dem tiefsten Durchschnittsalter (Bundesamt für Statistik, 2021).

Jasmin, Pascal, Céline, Ramon, Janine und Ronny sind zwischen 22 und 26 Jahre alt und erzählen, was ihnen Sorge bereitet, was sie von Politikerinnen und Politikern erwarten.

Das Dorf Auw im Kanton Aargau.
Legende: Das Dorf Auw im Kanton Aargau. Andrea Jaggi

Jasmin, 26, Primarlehrerin, sorgt sich ums Klima. Die Politik mache nur kleine Schritte vorwärts. Dabei seien die Probleme gross.

Der 25-jährigen Treuhänderin Céline liegt der Umgang mit Steuergeldern am Herzen. Sie habe den Eindruck, es werde zu viel Geld fürs Militär ausgegeben. Sie fände besser, wenn mehr Geld in andere Projekte fliessen würde. Als Beispiel nennt sie einen Zivildienst mit Einsätzen in Spitälern oder als Assistenz in Schulklassen.

Es wird zu viel Geld fürs Militär ausgegeben. Ich fände es besser, wenn mehr Geld in andere Projekte fliessen würde.
Autor: Céline Treuhänderin

Andere Sorgen hat der angehende Landwirt Roman, 22. Die Bevölkerung in der Schweiz wachse zu schnell, sagt er. Der Selbstversorgungsgrad nehme ab, weil Landwirtschaftsland fehle.

Student Pascal fragt sich, warum die Schweiz aus der Atomenergie aussteigen wolle und doch Atomstrom aus Frankreich beziehe. Er mache sich schon Sorgen um die Zukunft, sagt der 24-Jährige, auch wegen der steigenden Krankenkassenprämien. Die Probleme kumulierten sich. Da frage man sich schon, ob man Kinder haben solle.

Jasmin, Pascal, Céline und Ramon wollen sich an den Wahlen beteiligen. Die einen wählen rechts, die anderen links oder die Mitte. Céline sucht ihre Politvertreterinnen und -vertreter mithilfe von «Smartspider». Dabei kann man in Diagrammen sehen, wo Politikerinnen bei Sachthemen stehen. Kollegin Janine bringt es für alle auf den Punkt: «Ich will Kandidatinnen und Kandidaten, die möglichst meine Ansichten und Werte vertreten.»

Besuch Nummer 2 in Onnens

Die Waadtländer Gemeinde in der Nähe von Yverdon-les-Bains ist die Schweizer Gemeinde mit den meisten Solarpanels auf den Dächern.

Die Gemeinde Onnens im Kanton Waadt.
Legende: Die Gemeinde Onnens im Kanton Waadt. Andreas Stüdli.

Laut «Energie Reporter» – eine vom Bund unterstütze Plattform, die zeigt, wie sich Gemeinden punkto Energiewende entwickeln – nutzt Onnens 59 Prozent des Solarenergiepotentials auf seinen Dächern. Schweizweit sind es lediglich sechs Prozent.

Zum Spitzenreiter wurde Onnens wegen eines grossen Unternehmens, das auf seinen Lagerhäusern eine Photovoltaikanlage in 500 Metern Länge erstellen liess.

Es habe keinen Widerstand gegen das Projekt gegeben, erzählt Gemeindepräsident Alain Portner, der von sich sagt, er habe kein grosses Umweltbewusstsein.

Das ist wirklich hässlich. Aber die Gemeinde muss solche Anlagen bewilligen.
Autor: Alain Portner Gemeindepräsident

Das 60-jährige FDP-Mitglied befürwortet Solarenergie vor allem dann, wenn sie das Dorfbild nicht verschandele. Er zeigt ein altes Bauernhaus mit rotem Ziegeldach und schwarzen Solarpanels. «Das ist wirklich hässlich», meint Portner. Aber die Gemeinde müsse solche Anlagen bewilligen.

Die Bewohnerin des kritisierten Hauses, Emmanuelle Zuber, widerspricht dem Gemeindepräsidenten. Ökologie sei wichtiger als Ästhetik. Interessantes Detail: Den Ausschlag, auf Solarenergie umzusteigen, gab das Portemonnaie. Nach Ausbruch des Ukrainekriegs hatte sich die Stromrechnung des Bauernhauses mit den alten Mauern verdoppelt.

Bewohnerin Zuber ist der Ansicht, die Politik müsse mit der Energiewende vorwärtsmachen.

Besuch Nummer 3 in Kilchberg

In der Schweiz leben immer mehr Menschen. In diesem Jahr dürfte die Einwohnerzahl die Neunmillionenmarke knacken. Ein Teil davon sind hochqualifizierte Expats, die sich vorwiegend in reichen Gemeinden niederlassen. Wie zum Beispiel in Kilchberg am Zürichsee. 28 Prozent der Einwohner geben Englisch als ihre Hauptsprache an (Bundesamt für Statistik). Damit ist Kilchberg die Deutschschweizer Gemeinde mit dem höchsten Anteil an englischsprechenden Einwohnerinnen und Einwohnern. Da diese meist sehr gut verdienten, seien die Mieten gestiegen, beklagen Einheimische.

Die steuergünstige Gemeinde ist rasant gewachsen. Innerhalb weniger Jahre ist die Zahl der Einwohner von 7500 auf fast 9500 gestiegen, die wenigen Wohnungen, die es derzeit in Kilchberg zu mieten gibt, sind nichts für den unteren Mittelstand. Im Juni waren Zweieinhalbzimmerwohnungen für 4900 Franken, 4.5 Zimmer für 7000 Franken ausgeschrieben.

Die Gemeinde soll nicht noch mehr wachsen. Es braucht ein Baumoratorium.
Autor: Arnold Suter SVP-Politiker

SVP-Lokalpolitiker Arnold Suter sieht Handlungsbedarf. Die Gemeinde solle nicht noch mehr wachsen. Es brauche ein Baumoratorium. Gemeindepräsidentin Phyllis Scholl von der FDP winkt ab. In der Wohnbaupolitik habe die Gemeinde wenig Handlungsspielraum.

Grüne-Kantonsrätin Edith Häusler mit SVP-Lokalpolitiker Arnold Suter.
Legende: Grüne-Kantonsrätin Edith Häusler mit SVP-Lokalpolitiker Arnold Suter. Andrea Jaggi

Auch die Grüne-Kantonsrätin Edith Häusler glaubt, dass ein Baumoratorium wohl nicht umsetzbar sei. Aber auch sie meint: «Ich wünschte, Kilchberg wäre noch mehr ein Dorf.» Sie ergänzt aber, man könne nicht gute Steuerzahler anlocken und dann, wenn man merke, dass die Infrastrukturen zu stark belastet werden, einfach die Bremse ziehen. «Das sehe ich als Schwierigkeit.»

Und was meinen die betroffenen Expats selbst? In einer Strassenumfrage sagt eine junge deutsche Frau, sie könne die Aufregung nicht verstehen. Wenn man entscheide, Leute ins Land zu lassen, solle man sich nicht darüber aufregen. «Das sind Menschen, die zahlen ihre Steuern, wie die Schweizer ja auch.»

Die Zürcher Gemeinde Kilchberg.
Legende: Die Zürcher Gemeinde Kilchberg. Keystone/Christian Beutler
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