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Ein unmöglicher Spagat Die FDP in der Klima-Falle

Egal, wie sich die FDP in der Klimafrage positioniert: ein Teil ihrer Basis protestiert. Ein unauflösbares Dilemma.

«Sag mir, wie hast du’s mit dem Klima?»: Die zur Greta-Frage abgewandelte Gretchenfrage aus Goethes Faust schwebt über den eidgenössischen Wahlen 2019. Alle Parteien sind penibel darauf bedacht, der Wählerschaft eine möglichst klare Antwort zu geben. Wer schweigt, hat schon verloren.

So hat auch die FDP zum Start des Wahljahres eine klimapolitische Retraite einberufen – und eine Kehrtwende hingelegt: Sie unterstützt seither eine Flugticketabgabe und ein Senkungsziel für CO2-Emissionen im Inland. In der Wintersession 2018 hatte die FDP noch wesentlichen Anteil daran gehabt, dass das CO2-Gesetz versenkt wurde.

«Wir sind keine klimafeindliche Partei!», lässt Petra Gössi seither verlauten. In der Herbstsession bot sich Gelegenheit, den Worten der Parteipräsidentin Taten folgen zu lassen. Denn das CO2-Gesetz nahm einen neuen Anlauf im Ständerat. Tatsächlich schlugen die FDP-Vertreter nun einen strammen Klimakurs ein. Konkret etwa beim faktischen Verbot von Ölheizungen.

Klimatische Störungen in der FDP

Der klimapolitische Tatbeweis stiess bei der FDP-Basis auf geteilte Reaktionen, sagt Politologe Michael Hermann. «Nun ging es erstmals um Kosten und nicht grundsätzlich um die Klimafrage.» Die Mehrheit der Basis unterstützt zwar einen strengeren Klima-Kurs. Eine starke Minderheit ist aber dagegen. «Der Bruch geht mitten durch die Partei», sagt Hermann.

Im ersten Halbjahr konnte die FDP zwar Erfolge an kantonalen Wahlen verbuchen. Bei der Wahlbarometer-Befragung sei nun aber spürbar geworden, dass bei einem Teil der liberalen Stammwählerschaft Unzufriedenheit mit der Klimapolitik herrsche: «Es ist auffällig, dass sich der Negativtrend bei der FDP seit der Session verstärkt hat.»

So verliert die FDP im letzten SRG-Wahlbarometer vor den Wahlen an Zuspruch. Sie kippte vom Plus von 0.3 Prozentpunkten in der Befragung vom September 2019 in ein Minus von 1.2 gegenüber den Wahlen 2015. Jedoch sind die Zahlen zurückhaltend zu interpretieren, denn der Minuswert liegt im Fehlerbereich der Stichprobe.

9 Prozent der FDP-Wähler sind nach rechts zur SVP abgewandert, 3 Prozent nach links zur GLP. Von der «Absetzbewegung», wie Hermann sie nennt, profitiert allen voran die SVP: «Sie profiliert sich als Anti-Klima-Partei.» Parteiexponenten sehen in Bundesbern den Umverteilungs-Teufel am Werk. Parteipräsident Albert Rösti warnt vor einer «Klima-Hysterie», die am Ende der kleine Mann berappen müsse.

Hat sich die FDP im Wahljahr verkalkuliert, ja an ihrer Basis vorbei politisiert? Hermann widerspricht: «Ich denke, die FDP konnte gar nicht anders, als einen Kurswechsel in der Klimapolitik vorzunehmen.» Für den Politologen hat sich die Partei aber zu stark mit dem Klima-Thema profiliert, obwohl dieses bis anhin kein liberales Steckenpferd war.

Die FDP, die so lange um ihre Haltung in der Klimafrage gerungen hat, steckt also im Dilemma: «Je mehr das Klimathema in den Mittelpunkt rückt, umso grösser ist das Risiko, dass die Partei darunter leidet.»

Im Gegensatz zur GLP, Grünen und SP hat das Wahlkampfthema Nummer eins bei der FDP-Basis nämlich nur beschränkte Zugkraft. Diese wünscht sich vorderhand tragfähige Lösungen im Verhältnis zur EU und für den Wirtschaftsstandort Schweiz. Diese Themen spielen im Klima-Wahlkampf 2019 aber eine untergeordnete Rolle.

Sendebezug: SRF 4 News, 17 Uhr.

Die Eckwerte der Umfrage

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Die Datenerhebung zum SRG-Wahlbarometer fand zwischen dem 26. September und 2. Oktober 2019 statt. Die Befragung erfolgte online. Die Rekrutierung der Befragten fand einerseits über die Webportale der SRG SSR, andererseits via Online-Panel der Forschungsstelle Sotomo statt.

Nach der Bereinigung und Kontrolle der Daten konnten die Angaben von 12'107 Stimmberechtigten für die Auswertung verwendet werden.

Da sich die Teilnehmenden der Umfrage selber rekrutieren (sogenanntes Opt-in), ist die Zusammensetzung der Stichprobe nicht repräsentativ. So nehmen typischerweise mehr Männer als Frauen an politischen Umfragen teil.

Repräsentative Gewichtung

Deshalb hat Sotomo die Antworten gewichtet: Den Verzerrungen in der Stichprobe wird mittels statistischer Gewichtungsverfahren entgegengewirkt.

Neben räumlichen (Wohnort) und soziodemographischen (Alter, Geschlecht, Bildung) Gewichtungskriterien werden dabei auch politische Gewichtungskriterien beigezogen (Stimm- und Wahlverhalten, regionale Parteienstruktur usw.). Durch die Gewichtung wird eine hohe Repräsentativität für die aktive Stimmbevölkerung erzielt.

Der Stichprobenfehler, wie er für Zufallsstichproben berechnet wird, lässt sich nicht direkt auf politisch gewichtete Opt-in-Umfragen übertragen. Die Repräsentativität dieser Befragung ist laut Sotomo jedoch vergleichbar einer Zufallsstichprobe mit einem Strichprobenfehler von +/-1.4 Prozentpunkten.

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