Die Klimawahl hat in der Schweizer Parteienlandschaft einiges durcheinandergebracht und vermeintliche Gesetzmässigkeiten in Frage gestellt. Eine davon: Die Landwirtschaftspolitik ist Sache der konservativen Traditionsparteien. Grün darf mitreden, aber nicht mitentscheiden.
In der neuen Zusammensetzung des Parlaments könnte sich das ändern. GLP und Grüne stellen zusammen fast einen Viertel des Nationalrats. Die konservative Hausmacht der Bauern-Lobby bröckelt gewaltig.
Markus Ritter ist CVP-Nationalrat und Präsident des Bauernverbands. Seit Jahren gehört er zu den gewieftesten Lobbyisten in eigener Sache unter der Bundeshauskuppel. Hatte er nach dem Wahlsonntag eine schlaflose Nacht? «Mir sind viele Gedanken durch den Kopf gegangen. Mich hat beschäftigt, wie sich das Wahlresultat auf die Diskussionen in den Kommissionen auswirken wird.»
Ich zähle gerade die Grünen nicht nur zu den Kritikern der Landwirtschaft. Es wurden auch viele Leute gewählt, die ihr nahestehen.
Denn dort wird grün künftig stärker vertreten sein – und für Nachhaltigkeit, Biodiversität und einen schonenden Umgang mit den natürlichen Ressourcen weibeln. Urs Schneider, Vizedirektor des Bauernverbands, sagte letzte Woche in der NZZ: «Wechseln nur zehn Stimmen zu den Kritikern der Bauern, wird es sehr knapp bis unmöglich, Mehrheiten für unsere Anliegen zu gewinnen.»
Ritter relativiert: «Ich zähle gerade die Grünen nicht nur zu den Kritikern der Landwirtschaft. Es wurden auch viele Leute gewählt, die ihr nahestehen.» Es werde spannende Diskussionen um Mehrheiten und Lösungen geben, blickt der höchste Bauer voraus.
Aber gibt es überhaupt einen Widerspruch zwischen ökologischer und traditioneller Landwirtschaft? «Wir haben nichts gegen eine ökologische Landwirtschaft. Uns ist aber wichtig, dass ökologisch hergestellte Produkte auch verkauft werden können», sagt Ritter. Er fordert: Die Politik darf keine Rahmenbedingungen festlegen, die dazu führen, dass die Bauern am Markt vorbei produzieren.
Grundsätzlich sagt Ritter: «Wer keine Kompromisse machen kann, der bleibt alleine.» Diese Kompromissbereitschaft könnte in den anstehenden Debatten strapaziert werden. Mit der Agrarreform sollen Subventionen verstärkt nach ökologischen Kriterien ausbezahlt werden. Der Bauernverband kämpfte bislang dagegen an.
Dunkle Wolken am Horizont
Weiteres Ungemach steht den Bauern mit der Pestizidinitiative ins Haus. Diese fordert ein Verbot von synthetischen Pestiziden. Der Bauernverband bekämpft die Initiative – wie auch die Trinkwasser-Initiative – vehement. Er hat sich kürzlich aber beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln bewegt.
Der Bundesrat verfolge in einem Aktionsplan das Ziel, bis 2030 die Risiken von Pflanzenschutzmitteln zu halbieren, erklärt Ritter. Im Ständerat sei eine entsprechende Gesetzesvorlage in Arbeit: «Liegt sie im Rahmen des Bundesratsvorschlags, werden wir sie mittragen. Ich denke, das wird auch mit dem neuen Parlament eine tragfähige Lösung sein.»
Neue Allianzen?
Schliesslich gibt es auch gemeinsame Interessen zwischen den Grünen und den Bauern – etwa beim Freihandel und Gentechprodukten. «Diesbezüglich wurde die Position des Bauernverbands nun sogar deutlich gestärkt», sagt Ritter.
In der neuen Zusammensetzung des Parlaments könne Nachhaltigkeit bei Handelsverträgen stärker eingefordert werden, glaubt der St. Galler Nationalrat. Zudem hätten die Grünen in der Vergangenheit etwa auch die Swissness-Gesetzgebung mitgetragen.