Was sind die Hürden für Frauen, um in der Politik zu reüssieren? Eine Spurensuche auf allen Ebenen des politischen Lebens.
Mitglieder und Delegierte
Wenn eine Frau in der Politik Karriere machen will, ist sie vor allem mit einem konfrontiert: Einer Mehrheit von Männern. Das beginnt bei der einfachsten politischen Beteiligung, der Mitgliedschaft. Unter den Mitgliedern der grossen Parteien sind es rund 93’000 Frauen und rund 138’000 Männer. Allerdings gibt es grosse Unterschiede. So gibt es bei der BDP und SVP doppelt so viele männliche Mitglieder wie weibliche. Die CVP und SP hingegen melden ungefähr 40 Prozent Frauen, die FDP legt keine Zahlen offen. Nur die Grünen nähern sich der Ausgewogenheit.
Ähnlich sieht es auf der Ebene der Delegierten aus. Weil viele Parteien nicht zählen, wie viele ihrer Delegierten Frauen sind, haben RTS und SRF Fotos von Delegiertenversammlungen analysiert und die Geschlechteranteile eingezeichnet. Sie geben ein klares Bild, dass Frauen auch dort deutlich in der Minderheit sind – gerade bei Parteien rechts der Mitte.
Alice Glauser, SVP-Nationalrätin für den Kanton Waadt, findet das problematisch: «Die Strukturen sind von Männern für Männer geschaffen worden.» Dass es bei ihrer Partei so wenig Frauen gebe, habe durchaus Einfluss auf die Politik der SVP: «Die Themen der Rechtsparteien sind nicht immer jene, die Frauen am meisten interessieren.» Gemäss Glauser gibt es Themen, von denen die Partei nicht abrücke und die «in Stein gemeisselt» seien – auch wenn sich die Frauen dafür einsetzten.
Kantonsrat und Nationalrat
Entscheidet sich eine Frau, für ein politisches Amt zu kandidieren, begegnet sie weiteren Hürden. Zwar stellen Frauen 53 Prozent der Wählerschaft, aber auf den meisten Wahllisten sind sie noch immer in der Minderheit. Bereits auf Ebene der kantonalen Wahlen kandidieren im Schnitt doppelt so viele Männer wie Frauen. In den letzten vier Legislaturperioden hat sich diese Quote kaum verändert. Bis zu diesem Jahr. In mehreren Kantonen, die 2019 Wahlen abhielten, nahm sowohl die Zahl der weiblichen Kandidierenden als auch jene der Gewählten zu: In Zürich, im Tessin und in Luzern.
Martine Docourt, SP, ist eine von jenen, die den Sprung in die Politik gewagt haben. Sie wurde in den Stadtrat und dann in den Kantonsrat Neuenburgs gewählt. Nun kandidiert sie für den Ständerat. Als sie in die Politik wechselte, entdeckte sie «eine gläserne Decke, wie in der Berufswelt.» Sexistische Kommentare und Schwierigkeiten bei der Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Politik haben ihre Karriere geprägt. Diese Hindernisse hätten sie zusätzlich angespornt, sagt Docourt, aber es überrasche sie nicht, dass «es oft Frauen sind, die aufhören, wenn ein Kind kommt.» Mutterschaft als zusätzliche Hürde? Viele Frauen im Nationalrat bestätigen das.
Trotz der Schwierigkeiten um Vereinbarkeit von Familie und Politik: Zumindest auf Bundesebene könnte 2019 ein Jahr des Wandels werden. Während der Anteil der Frauen bei den Kandidierenden für den Nationalrat seit mehr als 28 Jahren bei rund 30 Prozent stagnierte, stellen Frauen nun rund 40 Prozent der Kandidierenden.
Entdecken Sie, wie sich der Frauenanteil der Kandidierenden in den letzten 40 Jahre pro Partei und Kanton veränderte. Wählen Sie einen Kanton, um diesen hervorzuheben:
In einigen Kantonen bleibt das Ungleichgewicht jedoch beträchtlich. Im Wallis, in St. Gallen und in Schwyz ist die 40-Prozent-Marke noch lange nicht erreicht. So schlägt die SVP noch immer eine Kandidatin pro drei Kandidaten vor. Die FDP ihrerseits ist die Partei, die die grössten Fortschritte bei der Erhöhung des Frauenanteils bei diesen Wahlen gemacht hat – von 31 auf 37 Prozent.
Kandidierende, Gewählte und Listenplätze
Dabei gibt es aber grosse Unterschiede zwischen dem Anteil kandidierender Frauen und jenem, wie viele Frauen am Ende gewählt wurden. Im Jahr 2015 waren Kandidatinnen der SVP, der Grünen und der SP fast so erfolgreich wie ihre männlichen Pendants. Bei der FDP hingegen waren Frauen viel weniger beliebt als Männer: Bei 31 Prozent Frauenanteil der Kandidierenden waren nach der Wahl nur 21 Prozent der Gewählten weiblich.
1971 führte die Schweiz das Frauenstimmrecht ein. Zwar kandidierten Frauen ab dann auch fürs Parlament, bloss wurden sie lange nicht gewählt. Zwischen dem Anteil der Kandidierenden und dem Anteil der Gewählten klaffte für 40 Jahre eine Lücke. Diese Lücke scheint aber stetig zu verschwinden. 2015 war der Anteil der gewählten Frauen nur noch wenig tiefer als der Anteil der kandidierenden Frauen.
Eine mögliche Erklärung dafür, warum anteilsmässig weniger Frauen gewinnen als aufgestellt wurden, könnte die Position auf den Wahllisten sein. Diese können in den meisten Kantonen von den Parteien selbst bestimmt werden. So waren 2015 bei den linken und Mitte-Parteien mehr als zwei Drittel der Topplätze auf den Listen männlich besetzt. Bei der SVP waren es fast drei Viertel.
Auch das ändert sich bei den Wahlen 2019. Mit Ausnahme der BDP positionieren alle Parteien mehr Frauen an den Spitzen ihrer Listen. Der Anstieg ist erneut besonders stark bei der FDP, die sich auf dieser Ebene dem Gleichstand nähert. Dies alles könnte auf einen historischen Anstieg des Frauenanteils hindeuten. Trotz aller Hürden.
Sendebezug: SRF3, 17.9.2019, 7:00 Uhr