Am 20. Oktober wird in der Schweiz gewählt. Den Kandidaten steht ein intensiver Wahlkampf bevor. Besonders anspruchsvoll ist dieser in zweisprachigen Kantonen. In Freiburg etwa buhlen die französischsprachige Nadine Gobet (FDP) und die deutschsprachige Olive Haymoz (Grüne) um den Einzug in den Nationalrat.
Kampf mit der deutschen Sprache
Beim Gedanken daran, in der jeweils anderen Sprache Kampagne zu machen, kommen die beiden ganz schön ins Schwitzen. Wenn sie etwa an einer Podiumsdiskussion in Deutschfreiburg teilnehmen müsste, hätte Gobet ihre Bedenken: «Es gibt gewisse Nuancen und ich merke dann manchmal, dass mir der Wortschatz fehlt.»
Die 49-Jährige lebt und arbeitet im Greyerzbezirk. Im Alltag spricht sie nur Französisch – auch im Kantonsparlament, wo sie seit 13 Jahren politisiert. Seit zwei Jahren nimmt sie regelmässig Deutschunterricht. Sie verstehe zwar immer besser Deutsch, «aber ich habe noch Mühe, mich auszudrücken», sagt sie.
Das Interview mit SRF ist für sie eine Premiere – noch nie gab sie vorher eines auf Deutsch. In den deutschsprachigen Medien des Kantons Freiburg ist sie kaum präsent. Doch sie braucht die Stimmen der Deutschfreiburger, um in den Nationalrat gewählt zu werden. Deshalb sind ihre Wahl-Flyer zweisprachig.
Unsicherheit im Französischen
Etwas anders präsentiert sich die Lage für die junge Nationalratskandidatin Olive Haymoz. Die 23-Jährige spricht gut Französisch und hat sogar die Matura zweisprachig absolviert. Trotzdem habe sie grossen Respekt, wenn sie auf Französisch ein Interview geben muss: «Sage ich etwas, was ich eigentlich gar nicht so gemeint habe?»
Erste Erfahrungen hat sie bereits gesammelt. Vor ein paar Monaten begründete Haymoz am Westschweizer Fernsehen, warum sie bei der Frauenbewegung «Helvetia ruft!» mitmacht, die mehr Frauen im Bundesparlament möchte. Sie möchte von erfahrenen Politikerinnen profitieren, erklärte sie. Und suchte ganz offensichtlich nach den richtigen Worten auf Französisch.
Partei wichtiger als Sprache
Im Kanton Freiburg gebe es wenig Berührungspunkte zwischen den beiden Sprachgruppen, sagt Haymoz. Heisst das auch, dass bei den eidgenössischen Wahlen vor allem für die eigene Sprachgruppe gewählt wird? Erstaunlicherweise nein, sagt Nenad Stojanovic. Der Politologe der Universität Genf hat die eidgenössischen Wahlen 2011 im Kanton Freiburg unter dem Aspekt der Sprache untersucht.
Vor allem bei den Ständeratswahlen spiele die Sprache eine untergeordnete Rolle, erklärt der Politologe. Denn die Auswahl an Kandidatinnen und Kandidaten für die beiden Sitze sei klein. Die Wählerin oder der Wähler müsse entscheiden: Wähle ich meine Partei oder jemanden der meine Sprache spricht? «Die meisten Wähler in Freiburg entscheiden sich dabei für die Partei.»
Minderheit braucht keine Quote
Bei den Nationalratswahlen sei die Tendenz, Leute aus der eigenen Sprachregion zu wählen etwas höher. Trotzdem gebe es auch hier Kandidaten, die mehr Stimmen aus der anderen Sprachgruppe erhalten: «SVP-Nationalrat Jean-François Rime etwa bekommt mehr Stimmen von der deutsch- als von den französischsprachigen Wählern.»
Auch ist die deutschsprachige Minderheit im Kanton Freiburg im Nationalrat fast immer mit mindestens zwei Leuten vertreten – auch ohne Quote. Die Sprache ist also nicht das wichtigste Kriterium, so das Fazit des Politologen.