Am Wahlabend schien die Sache klar: Für die Grünen ist eine Bundesratskandidatur vom Tisch. Zu gross die Niederlage, zu tief der Wähleranteil der Partei. Die Korrektur des Resultates durch das Bundesamt für Statistik hat das Blatt und die Stimmung innerhalb der Grünen Fraktion gewendet. Wenn man 9.8 Prozent aufrundet, ist die magische 10-Prozent-Hürde erreicht, und das Wahlresultat sieht plötzlich akzeptabel aus. Und so fiel der Entscheid der grünen Bundeshausfraktion jetzt klar aus: Die Partei tritt zu den Bundesratswahlen an. Allerdings nur gegen die FDP, nicht gegen die SP.
Vor den Wahlen hatten die Grünen ernsthaft auch einen Angriff auf einen SP-Sitz erwogen. Doch die SP hat bei den Wahlen zu gut abgeschnitten und ist jetzt zu klar die Nummer zwei unter den Parteien, als dass ein Angriff auf die SP mehr erreichen würde, als Schaden anzurichten.
Es gibt Argumente für einen Angriff
Den Grünen ist in der Vergangenheit vorgeworfen worden, sie seien zu lieb, sie würden sich als Oppositionspartei regierungstreuer verhalten als die Regierungsparteien selbst. Diesen Vorwurf wollen die Grünen nicht auf sich sitzen lassen und kontern ihn jetzt mit ihrem Angriff.
Sie wissen zwar selbst, dass ihre Kampfkandidatur keinen Erfolg haben wird. Die Machtverhältnisse im Parlament sprechen zu klar dagegen, und die Abwahl eines amtierenden Bundesrats ist verpönt. Aber man kann nicht ständig kritisieren, der Bundesrat mache zu wenig vorwärts in der Klimapolitik und dann keinen Machtanspruch erheben.
Zudem haben die Grünen rein rechnerisch mehr Anspruch auf einen Bundesratssitz als die FDP auf deren zwei. Insofern ist die grüne Kandidatur zwar chancenlos, aber konsequent.
Kaum Spannung zu erwarten
Bis nächsten Freitag haben Interessierte Zeit, sich bei der Partei zu melden, und eine Woche später soll der oder die Kampfkandidatin gekürt werden. Weil es sich um eine weitgehend chancenlose Kandidatur handelt, die vor allem ein Zeichen setzen soll, stehen bei den Papabili weniger grüne Zukunftshoffnungen wie Mathias Zopfi, Franziska Ryser, Martin Neukom, Lisa Mazzone oder Gerhard Andrey im Vordergrund.
Stattdessen kommen eher Persönlichkeiten infrage, die aufgrund ihrer langen Amtsdauer im Bundeshaus oder ihres fortgeschrittenen Alters der Partei einen Dienst tun möchten und keine Angst haben müssen, verheizt zu werden: Zum Beispiel ein Bastien Girod (seit 2007 im Nationalrat), eine Maya Graf (seit 2001 im Parlament) oder ein Regierungsrat Isaac Reber (seit 2011 Regierungsrat).
Die Grünen wollen es also wissen. Spannend wird es allerdings kaum bei den Bundesratswahlen im Dezember, sondern erst beim nächsten Rücktritt eines FDP-Bundesrats. Auch dann werden die Grünen wieder antreten. Ihre Chancen werden dann besser sein, einfach wird es eine grüne Kandidatur aber auch dann nicht haben.