Keiner zögert, als Moderatorin Barbara Lüthi fragt, wer der General im Team sei: Alle Zeigefinger richten sich auf Balthasar Glättli, den Parteipräsidenten der Grünen. Und Glättli selbst streckt seinen Zeigefinger in die Luft. Er sagt: «Es funktioniert nur, wenn man weiss, wer der Chef ist.»
Die Club-Moderatoren Barbara Lüthi und Mario Grossniklaus haben für die Sommerserie die Spitzen der sechs grössten Schweizer Parteien zu einem Duell herausgefordert – und alle sind gekommen. Ihre Aufgabe: Ein Menü wählen und kochen, das die Schweiz repräsentiert.
Kochen sollen sie, weil Essen zum Politikum geworden ist. Das Parlament beschäftigt sich damit – und die Stimmberechtigten auch. Sie werden regelmässig um ihre Meinung dazu gebeten: Ja oder Nein zu «Fair-Food»? Zu sauberem Trinkwasser, zur Massentierhaltung, zur Nahrungsmittelspekulation? Und bald sollen sie sich zur Stopfleber- und zur Ernährungsinitiative äussern.
Wenns ums Eingemachte geht, fragen wir Mattea.
So stehen sich nun zwei Teams hinter je einer Kochinsel gegenüber. Welches gewinnt? Das Team Glättli, sekundiert von SVP-Präsident Marco Chiesa und Mitte-Präsident Gerhard Pfister? Mit Pfister, der freimütig sagt, dass er in der Küche keine grosse Hilfe sei, und dessen Frau lieber ohne ihn kocht?
Oder gewinnt das Team von SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer? Auch ihr Team überlässt die Führung gerne einer Linken: «Mattea sagt, was wir tun sollen, und wir führen aus.» Das stellt gleich zu Beginn FDP-Präsident Thierry Burkart klar. Und GLP-Präsident Jürg Grossen, der Dritte im Team, ergänzt: «Wenns ums Eingemachte geht, fragen wir Mattea.»
Meister Glättli hat Küchenchef-Qualitäten. Es ist alles organisiert, alles aufgeräumt. Glättli weiss, wie es funktioniert.
Höner lobt Burkart, der den Käse aufwendig auf der feinsten Raffel reibt. Das grosse Lob aber geht an Glättli: «Meister Glättli hat Küchenchef-Qualitäten. Es ist alles organisiert, alles aufgeräumt. Glättli weiss, wie es funktioniert.»
Das Duell beginnt. Geschirr klappert, Messer schlagen auf Bretter und bald dampft es aus den Töpfen. Hände greifen zu Sparschälern, fahren damit über Äpfel und Kartoffeln, schwere Messer knirschen durch Lauchstängel, schneiden Zwiebeln zu Ringen. Was gibt es zu essen?
Befehlsausgabe vor dem Duell
Beim Team Meyer klirren Gläser. Thierry Burkart, der freisinnige Aargauer Ständerat, hat einen Weisswein entkorkt – einen Aargauer natürlich. «Kochen geht besser, wenn man dazu einen Schluck Wein trinkt», sagt er. Sein Team nippt: «Wirklich fein.»
Hinter der Kochinsel gegenüber wird konzentriert gearbeitet, nur beim Vorbeigehen reicht es dem Team Glättli für einen Schluck. Der Chef hat den Kochprozess schon im Voraus in Gedanken durchlaufen. Hat in einer Exceltabelle minutiös eingetragen, wer zu welcher Zeit welchen Handgriff machen muss. Er brauchte mehrere Seiten Papier, um die Tabelle auszudrucken. Kurz vor dem Duell, so sagt Pfister, sei Befehlsausgabe gewesen.
Diese generalstabsmässige Planung weist auf eine erstaunliche Entwicklung von einem hin, der vor 27 Jahren mit Gleichgesinnten und mit langem Haar Parkplätze auf dem Zürcher Münsterhof versperrte. Damals klebten sich Aktivistinnen und Aktivisten noch nicht auf den Boden, nein, sie bauten auf den Parkplätzen ein Frühstücksbuffet auf. «Muss ich die Zwiebel in Quadrate schneiden?», fragt Pfister Glättli. «Nein, in Ringli.»
Burkart raffelt, Meyer schält, Grossen schneidet. Im Kochstudio riecht es nach angeschwitzten Zwiebeln. Die Jury geht von Kochinsel zu Kochinsel und schaut, ob sich ein Favorit abzeichnet. Die Jury, das sind David Höner, Koch, Autor und Gründer von «Cuisine sans frontières». Und David Geisser, Autor, ehemaliger Schweizergardist und Koch der Päpste Benedikt und Franziskus. Die es beide nicht süss genug haben konnten, wie Geisser sagt.
Ich fürchte fast, dass Matteas Magronen besser sind.
Im Team Meyer klingen schon wieder die Gläser – während das Team Glättli bereits das Apfelmus abschmeckt. Pfister nimmt einen Löffel davon und nickt. Nicht schlecht. Dann tunkt er den Löffel wieder ins Mus und schiebt ihn Glättli in den Mund.
Zwanzig Minuten später sitzen die Parteispitzen am Tisch und probieren das gegnerische Menü. Welches ist besser? Optisch sticht jenes des Teams Glättli hervor. Es hat ein winziges Häufchen Älplermagronen mithilfe eines Förmchens auf den Teller gesetzt und mit einem Schweizer Fähnchen garniert. Daneben ein Schüsselchen Apfelmus. Hohe Küche. Als Glättli aber die Magronen vom Team Meyer probiert, verdüstert sich seine Miene: «Ich fürchte fast, dass Matteas Magronen besser sind.»
Die Regeln für die Bundesratswahlen
Wein wird eingeschenkt, Gläser klirren, die Atmosphäre entspannt sich. Es wird harmonisch: «Dieser Bündner Gerstensalat ist grosses Kino», lobt Burkart das gegnerische Team. Und Jürg Grossen zu Marco Chiesa: «Diese Salatsauce – fantastico.» Für die Club-Moderatoren ist es fast zu harmonisch: «Lasst uns über Politik sprechen. Über die Nachfolge von Alain Berset», sagen sie. «Wen greift Ihr an den Bundesratswahlen an?»
Von Angreifen will niemand reden, aber Ansprüche haben alle. Die Grünen möchten einen Sitz, die Grünliberalen auch und die anderen wollen keinen abgeben. «Es dauert aber noch fünf Monate bis zu den Wahlen. Vielleicht kommt es noch zu anderen Vakanzen», sagt Mattea Meyer vieldeutig.
Dann handeln die sechs Parteipräsidenten am Tisch des Koch-Clubs die Regeln für die nächsten Bundesratswahlen im Dezember aus. Erstens: Die Zauberformel gilt weiterhin; die dannzumal viertstärkste Partei hat Anspruch auf einen Sitz. Irgendwann. Denn zweitens soll keinem Bundesratsmitglied die Wiederwahl verwehrt werden.
Nicht das Käsefondue steht für die Schweiz
Unbeachtet von der Tischrunde sind im Hintergrund die zwei Juroren mit verschränkten Armen zusammengestanden und haben diskutiert. Welches Team war besser? Das straff organisierte Team Glättli mit seinem überraschenden Gerstensalat? Oder das lockere Team Meyer, dessen Vorspeise mit dreierlei Randen von der Jury besonders gelobt wurde? Ihr Entscheid fällt einstimmig: «Wir gratulieren dem Team Glättli.»
So unterschiedlich die Ideen der Parteispitzen sind, wie die Schweiz nach den Wahlen sein soll – in einem sind sie sich einig, wie ihre Menüwahl zeigt: Nicht das Käsefondue ist für sie das Gericht, das die Schweiz repräsentiert, sondern die Älplermagronen.