713 Personen kandidieren im Aargau für den Nationalrat, so viele wie noch nie. Vor vier Jahren waren es noch um die 500 Personen. Die Zahl der Kandidierenden steigt seit Jahren. Total sind es 52 Wahllisten dieses Jahr im Aargau, 2019 waren es noch 36.
Die Parteien schicken mehr Personen ins Rennen, weil sie sich höhere Wahlchancen ausrechnen. Vorreiterin dieser Strategie ist die Aargauer Mitte-Partei. Sie startete vor vier Jahren, damals noch als CVP, mit total neun Listen und hatte Erfolg damit. Allerdings ist es wissenschaftlich nicht erwiesen, dass mehr Wahllisten auch wirklich höhere Wahlchancen bedeuten.
Die wählerstärkste Partei im Aargau, die SVP, hat nur zwei Listen eingereicht, die SP als zweitgrösste Partei sieben Listen. Auch dieses Jahr treten neue Gruppierungen an. Die Bewegung «Massvoll», Arbeit Aargau, die Musikpartei, die Partei «rächts-punkt.ch» sowie die Bewegung SLEP (schweizerische liberté égalité passion).
Langjährige Nationalrätin Humbel nicht mehr dabei
Spannend dürfte sein, wer den Sitz der langjährigen Nationalrätin Ruth Humbel (Mitte) übernimmt. Die bekannte Gesundheitspolitikerin hat ihren Sitz per Februar 2023 an Andreas Meier «abgegeben». Damals gab es Misstöne: Humbel fand, die eigene Partei dränge sie aus dem Amt, die Parteipräsidentin dementierte.
Es wird sich zeigen, ob Neuling Andreas Meier seinen Sitz verteidigen kann. Klar ist das Ziel seiner Partei: Die Mitte will ihre beiden Sitze halten.
Gerangel im linken Lager
Zittern muss die SP um ihren dritten Sitz. Diesen hatte sie 2019 dank der Listenverbindung mit den damals sehr erfolgreichen Grünen geholt. Zudem tritt mit Yvonne Feri (SP) ebenfalls eine bekannte Nationalrätin nicht mehr an. Bei ihr gab die Amtszeitbeschränkung der Partei den Ausschlag.
Die Grünen möchten nach ihrem Höhenflug vor vier Jahren nun endlich auch einen Sitzgewinn realisieren und streben neu zwei Sitze an. Allerdings buhlen auch die Grünliberalen um Stimmen. Diese haben eine Listenverbindung mit SP und Grünen, möchten aber die Grünen überholen und einen zweiten Sitz machen.
Schon jetzt ist also klar: Es müsste ein Wunder geschehen, dass die drei Parteien im linksgrünen Block ihre Ziele alle erfüllen können.
Auch auf bürgerlicher Seite sind die Ziele ambitioniert. Die SVP will den verlorenen siebten Sitz zurückholen. Dazu muss sie aber deutlich Wähleranteile gewinnen. Auch die FDP will zulegen. Sie möchte die SP beim Wähleranteil überholen und käme so auf einen dritten Sitz.
In der Mitte scheint vor allem der Sitz von EVP-Nationalrätin Lilian Studer wacklig, da sie 2019 noch von einer Listenverbindung mit der inzwischen untergegangenen BDP profitierte. Sie hofft nun auf denselben Effekt durch die Listenverbindung mit der Mitte.
Keine grossen Verschiebungen?
Die Zahl der Kandidierenden ist zwar gross, grosse Verschiebungen aber sind aus Sicht der SRF-Regionalredaktion nicht zu erwarten. Durchsetzen werden sich die bekannten Namen auf den Hauptlisten der etablierten Parteien.
Einzelne Sitzverschiebungen sind aber durchaus möglich. Aufgrund der nationalen Trends dürften bürgerliche Kräfte und die Mitte eher gestärkt werden. Erwartet wird eine Art «Korrektur» der grünen Welle vor vier Jahren. Dies würde zum traditionell stark bürgerlich geprägten Aargau passen. Ein politisches Erdbeben ist also nicht zu erwarten, vielleicht eher eine Rückkehr zum «courant normal».