- Marianne Binder-Keller (Mitte) ist neue Aargauer Ständerätin. Die SVP verliert ihren Ständeratssitz.
- Binder holt 84'431 Stimmen und damit rund 5000 Stimmen mehr als Benjamin Giezendanner (SVP).
- Die Mitte-Politikerin punktete vor allem in Städten und Agglomerationsgemeinden.
Die Überraschung ist perfekt: Marianne Binder ist gewählt, die Mitte-Politikerin gewinnt das Duell gegen Benjamin Giezendanner (SVP) im zweiten Wahlgang. Giezendanner macht 79'429 Stimmen und damit rund 5000 Stimmen weniger. Und dies, obwohl Giezendanner für die mit Abstand stärkste Partei im Kanton angetreten ist.
Binder erreicht damit 50.2 Prozent der Stimmen, Giezendanner 47.2 Prozent. Die beiden weiteren Kandidaturen spielen keine Rolle: Nancy Holten macht knapp 2900 Stimmen, Pius Lischer knapp 1400.
Der Aargau hat damit nun eine «ausgewogene Standesstimme», wie es in der Kampagne von Binder formuliert wurde. Marianne Binder ergänzt den bereits gewählten Thierry Burkart (FDP). Dessen Partei hatte Benjamin Giezendanner von der SVP zur Wahl empfohlen. Nun verliert die SVP also ihren Ständeratssitz. Der Aargau verliert aus Sicht von SVP und FDP seine «ungeteilte Standesstimme».
(Fast) alle gegen Giezendanner
Marianne Binder konnte auch auf die Unterstützung der linken Wählerschaft zählen. Nach dem ersten Wahlgang am 22. Oktober haben sich linke und Mitte-Parteien nämlich in einer für den Aargau aussergewöhnlichen Form «verbündet». Die Kandidatinnen von SP, Grünen, GLP und EVP haben sich zugunsten von Binder aus dem Rennen genommen.
Ihr Argument: Es braucht neben dem rechtsbürgerlichen Burkart eine weibliche und gemässigte Politikerin im Stöckli. Binder profitierte wohl von einer starken Mobilisierung auf der linken Seite. Darauf weist die relativ hohe Stimmbeteiligung von gut 38 Prozent hin. Besonders hoch war die Stimmbeteiligung in den Städten – in Aarau zum Beispiel über 44 Prozent. Die offenbar gelungene Mobilisierung überrascht auch deshalb, weil Marianne Binder von ihrem politischen Profil her als bürgerlich gilt, in gewissen Fragen sogar eher als konservativ.
Gemeinden im Fricktal und im Zurzibiet – früher traditionelle «CVP-Hochburgen» – wählten mehrheitlich Binder, aber auch Gemeinden um Bremgarten und Muri im Freiamt. Benjamin Giezendanner hingegen punktete in den traditionellen SVP-Stammlanden, wie zum Beispiel in den Bezirken Kulm und Zofingen. Hier holte er zum Teil satte Mehrheiten. So auch in seiner Wohngemeinde Rothrist. Die Aargauer Ständeratswahl ist also – einmal mehr – von einer Art «Stadt-Land-Graben» geprägt.
«Historischer Wahlsieg»
Die Aargauer Mitte-Partei feiert die Wahl von Marianne Binder als «historischen Sieg». Damit sei die Partei nach 28 Jahren endlich wieder im Ständerat vertreten, heisst es in einer Mitteilung. Die EVP schreibt: «Mit der Wahl von Marianne Binder wird die Vertretung im Ständerat ausgewogener.»
Es ist auch ein Frauen-Powerplay, das hier gespielt wurde.
Dazu gehört auch, dass Marianne Binder eine Frau ist. Marianne Binder sagt selbst: «Ich bin zwar nicht eine, die Quoten fordert. Aber dass sich alle anderen Kandidatinnen zurückgezogen haben, das hat meine Verantwortung erhöht. Insofern ist es sicher auch ein Frauen-Powerplay, das hier gespielt wurde.» Auch Benjamin Giezendanner meinte in einer ersten Stellungnahme, die Frauenfrage habe eine Rolle gespielt.
Marianne Binder tritt die Nachfolge von SVP-Ständerat Hansjörg Knecht an. Er sass seit 2019 im Stöckli und hat auf eine erneute Amtszeit verzichtet. Die FDP ist seit Jahren ohne Unterbruch im Ständerat vertreten.