Am 4. Dezember tritt das neu gewählte Parlament erstmals im Bundeshaus zusammen. Die SVP-Fraktion wird mehr Sitze belegen, die Fraktion der Grünen wird deutlich kleiner sein als bisher. Wer hatte mehr Einfluss auf die Zusammensetzung des neuen Parlaments? Die aktuellen Krisen oder die Medien? Das erklärt Politologe Marc Bühlmann im «Club».
Wie viel Einfluss haben die Medien auf die Wahlen?
Es ist naiv zu meinen, dass die Medien ein Agenda-Setting betreiben und so das Geschehen beeinflussen. Parteien wie die SVP oder die Grünen besitzen ein Thema. Das haben sie über Jahre aufgebaut. Die SVP etwa bearbeitet seit 1991 das Thema Migration und wird bei diesem als glaubwürdig wahrgenommen. Ihre Wählerinnen und Wähler sind nicht auf eine Masche hereinfallen – sie unterstützen die SVP, weil sie glauben, dass sie für sie einsteht und die Probleme so löst, wie sie es wollen. Das können die Medien nicht steuern.
Die Medien bestimmen, welche Themen aufgegriffen werden. Hat dies einen Einfluss darauf, was die Wählerinnen und Wähler als Problem empfinden?
Nehmen wir das Jahr 2015: Damals ist die Berichterstattung zur Migrationspolitik richtiggehend explodiert. 2019 dominierte das Klimathema. Beide Themen standen aber nicht wegen der Medien im Zentrum, sondern weil der Kontext entsprechend spielte. Die Frage ist aber: Wie wichtig sind Themen für Wahlen überhaupt? Bei den Wahlen 2023 jedenfalls gab es nicht dieses eine bestimmende Thema, es waren mehrere: Etwas Verkehr, etwas Landwirtschaft, etwas Krankenkasse und Migration.
Die Medien greifen oft zum Mittel der Personalisierung. Schadet oder nützt dies der Schweizer Politik?
Unser politisches System ist eine Herausforderung für die Medien – es geht nicht um Personen, sondern um Institutionen. Manche Medien wollen vor Bundesratswahlen von ihrer Leserschaft wissen, wen sie wählen würden. Und so höre ich im Zug manchmal die Frage: «Welchen Bundesrat wählst Du?» Nur: Die Bevölkerung kann ihn gar nicht wählen, dies ist dem Parlament vorbehalten. Personalisierte Berichte passen nicht zu unserem System. Wenn sie den Eindruck vermitteln, dass sich Politikerinnen und Politiker nur bekämpfen und keine Lösung finden, können sie sogar schaden.