Es ist eine Solothurner Eigenheit mit Tradition: Die beiden bürgerlichen Parteien SVP und FDP sind keine Freunde. Auch bei den diesjährigen Nationalratswahlen wollen die beiden Parteien keine Listenverbindung eingehen, auch wenn es rein rechnerisch Sinn ergeben könnte.
Die FDP ist hier links-liberaler als in anderen Kantonen. Die SVP hingegen ist Oppositionspartei: Sie war noch nie in der Regierung vertreten und kritisiert diese im Parlament teils sehr scharf.
Bei den Nationalratswahlen vor vier Jahren führten Listenverbindungen zwischen SVP und FDP in jedem zweiten Kanton dazu, dass die Nationalratssitze anders verteilt wurden, als wenn die Parteien alleine angetreten wären. Aber in Solothurn wird daraus nichts. FDP und SVP kämpfen wie immer solo um die total sechs Nationalratssitze. Die Jungparteien bedauern das.
Zu wenig Freisinn?
Die SVP sei «kein zuverlässiger Partner» und «zu wenig freisinnig», hiess es an der Delegiertenversammlung der Solothurner FDP vergangene Woche. Zwar haben die Parteipräsidenten miteinander über eine mögliche Listenverbindung gesprochen. Einig war man sich aber nicht, sagte FDP-Parteipräsident Stefan Nünlist gegenüber SRF. Die Differenzen seien zu gross.
Die SVP verhält sich in gewissen Punkten falsch.
Die Solothurner SVP enthalte sich zum Beispiel bei Richterwahlen lieber, als dass sie FDP wähle, kritisiert Nünlist. Dieses «Trötzele» und die Beleidigungen seien nicht freisinnig. Die SVP hat noch nie einen Regierungsrat gestellt und hat deshalb die Rolle der Oppositionspartei inne.
In dieser greift sie die FDP auch immer wieder mal an. Manchmal verhalte sich die SVP zu extrem, sagte ein Delegierter an der FDP-Versammlung. Und ein anderer: «Es braucht die SVP, aber in gewissen Punkten verhält sie sich falsch.»
SVP wäre dabei
Die Solothurner SVP hingegen hätte gerne mit der FDP zusammengespannt, sagt Parteipräsident Christian Imark auf Anfrage: «Es wäre eine Stärkung des bürgerlichen Lagers. Wir haben die Hände ausgestreckt, aber wie immer wurden Ausreden gefunden, warum die Listenverbindung nicht sein soll.»
Man wolle ja keine Parteien fusionieren, so Imark weiter. Parteien müssten nicht 100 Prozent einer Meinung sein, sondern könnten rein rechnerisch voneinander profitieren.
Man müsste eventuell über den eigenen Schatten springen.
Imark findet mit seiner Meinung durchaus auch Zustimmung bei der FDP, vor allem bei den Jungen. «Grundsätzlich verständlich, aber man müsste eventuell über den eigenen Schatten springen und aus rein arithmetischen Gründen die Listenverbindung eingehen», sagt zum Beispiel FDP-Mitglied Bruno Bartlome aus Mühledorf.
Und Melanie Racine, Präsidentin der Solothurner Jungfreisinnigen, sagt, man arbeite gut mit der jungen SVP zusammen: «Als junge Person finde ich es schade. Wir Jungen finden den Draht zueinander. Wir sind nicht überall gleicher Meinung, aber eine Listenverbindung wäre schon sinnvoll.»
Die Solothurner SVP hat indes einen anderen Partner gefunden, die während der Corona-Pandemie entstandene Bewegung Mass-Voll. Die Listenverbindung mit der massnahmenkritischen Bewegung sorgte schweizweit für Diskussionen.
Am 22. Oktober entscheidet das Stimmvolk, ob der Solothurner Alleingang von FDP und SVP bei den nationalen Wahlen aufgeht und wie sich die Listenverbindung zwischen SVP und Mass-Voll auswirkt.