Die FDP müsse bei allen wichtigen Themen mitreden, also auch bei der Zuwanderung, erklärte FDP-Präsident Thierry Burkart heute Freitag vor den Medien: «Es gibt kein Thema, das nur von einer Partei bearbeitet werden darf.» In diesem Sinn schaue die FDP auf sich, ihre Werte und ihr Fundament und auf keine andere Partei.
«Hart, aber fair» soll sie sein, die freisinnige Migrationspolitik. Das heisst gemäss FDP, dass Wegweisungen bei negativen Asylentscheiden konsequent umgesetzt werden müssen. Auf der anderen Seite dürfe aber die Personenfreizügigkeit auf keinen Fall aufgekündigt werden. Damit unterscheide sich die Position der Freisinnigen von jenen der anderen Parteien.
Erinnerungen an Klima-Effort von 2019
Dass die FDP, die sich vor allem als Wirtschaftspartei profiliert, gut zwei Monate vor den Wahlen auf ein zusätzliches Thema setzt, erinnert an das Wahljahr 2019. Damals stieg sie im Sommer auf den fahrenden Klima-Zug auf, indem sie ein Umwelt- und Klimapapier verabschiedete und sich sozusagen ein grünes Mäntelchen umhängte. Doch die Rechnung ging nicht auf: Viele wählten zwar grün, aber die FDP verlor bei den nationalen Wahlen 2019.
Was aktuell passiere, komme ihm vor wie ein Déjà-vu, sagt Politgeograf Michael Hermann: «Das Klimathema war damals sehr dominant, die FDP musste sich positionieren. Sie erreichte aber vor allem, dass noch mehr übers Klima gesprochen wurde. Das half letztlich jenen Parteien, die das Thema noch klarer besetzten. Im Fall der FDP war das vor allem die GLP.»
Wir haben keine neue Linie. Wir wollen in der politischen Diskussion nur unsere Lösungen und Ideen vorstellen.
Dass am Ende wieder andere Parteien profitieren, diese Gefahr sieht FDP-Fraktionspräsident Damien Cottier nicht: Die FDP habe keine neue Linie, sondern wolle in der politischen und demokratischen Diskussion nur ihre Lösungen und Ideen vorstellen.
SVP bleibt gelassen
Die Volkspartei, die schon lange vor allem auf das Thema Migration setzt, reagiert gelassen auf die neue Konkurrenz: SVP-Präsident Marco Chiesa sagt an die Adresse der FDP: «Jetzt wollen sie etwas Neues machen. Wir sind bereit, die neuen Massnahmen zu evaluieren und zu unterstützen, wenn sie vernünftig sind.» Chiesa weiss, dass die Haltung seiner Partei bei vielen Wählerinnen und Wählern etabliert ist.
Das Thema erhält noch mehr Gewicht, und jene Partei gewinnt, die am meisten damit in Verbindung gebracht wird.
Klar wolle sich die FDP mit dem Thema Migration auch ein bisschen von der SVP abgrenzen und die Unterschiede aufzeigen, sagt Hermann. Doch dies sei immer ein Risiko, weil die Leute nicht so genau unterschieden. Denn das Thema bekomme noch mehr Gewicht, zugunsten jener Partei, die am meisten damit in Verbindung gebracht werde: «Das ist in der Schweiz die SVP.»
Dieses Jahr könnte sich also wiederholen, was 2019 geschah, als die FDP im Wahlkampf auf neue Themen setzte, davon aber nicht profitieren konnte.