Bei den Wahlen im Oktober wollen die Parteien so viele Stimmen wie möglich holen. Deshalb gehen sie Listenverbindungen mit anderen Parteien ein. Doch wie sinnvoll sind solche Listenverbindungen? Und können sie einer Partei auch schaden?
Diese Fragen stellen sich, nachdem Anfang Woche bekannt wurde, dass die SVP des Kantons Solothurn eine Listenverbindung mit Mass-Voll eingegangen ist. Jener Bewegung, die als massnahmenkritische Organisation während der Pandemie entstand.
Für Politologe Daniel Bochsler sind Listenverbindungen sehr sinnvoll. «Es ist eine wunderbare Angelegenheit, wenn meine Partei keine Stimme macht und diese nicht einfach im Papierkorb landet. Die Stimme geht dann an eine befreundete Partei weiter, bei der ich mir auch hätte vorstellen können, sie zu wählen.»
Meist könnten die Wählerinnen und Wähler auch gut mit den Listenverbindungen ihrer bevorzugten Partei leben, sagt Bochsler: «In den allermeisten Fällen stimmt es für sie perfekt überein: Denn die Parteien schliessen mit anderen Partnerinnen und Partnern Listenverbindungen ab, die ihnen auch politisch sehr nahe stehen.»
«Inhaltliche Überschneidungen» mit Mass-Voll
Nun geht die SVP Solothurn mit der Corona-Massnahmen-kritischen-Bewegung Mass-Voll eine Listenverbindung ein. Der Präsident der SVP Solothurn, Nationalrat Christian Imark, begründet dies so: «Es gibt inhaltliche Überschneidungen im Bereich der Freiheit und Eigenverantwortung.»
Für den Fall, dass es am Wahltag für eine der beiden Organisationen nicht für einen oder einen zweiten Sitz reichen würde, würde die SVP Solothurn wie auch Mass-Voll von der Listenverbindung profitieren. «In diesem Fall haben wir beide ein Interesse daran, dass diese Stimmen zusammengezählt werden und damit nicht verloren gehen.»
Umstrittene Figur an der Spitze von Mass-Voll
Die Frage ist allerdings, in welchem Teich die SVP hier fischt. Der Präsident von Mass-Voll, Nicolas Rimoldi, besuchte am letzten Wochenende eine Kundgebung in Wien, welche von der Identitären Bewegung organisiert wurde und die vom österreichischen Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft wird. Zielt Mass-Voll mit der Teilnahme an dieser Kundgebung auch in der Schweiz auf rechtsextreme Wählerinnen und Wähler?
Rimoldi erwidert darauf: «Es ist häufig so, dass Medien, staatliche Stellen und die Justiz unliebsame Oppositionelle als ‹rechtsextrem›, ‹Nazi› oder ‹Schwurbler› diffamieren – was nicht den Tatsachen entspricht.» Das Vorgehen diene nur dazu, die herrschende Politik der etablierten Parteien zu schützen.
Die Leute an der Kundgebung in Wien seien «alles andere als extrem» gewesen, schliesst Rimoldi. «Uns geht es darum, unsere Souveränität zu beschützen.» Sie wollten die Grundrechte vor Eingriffen des Staates verteidigen, argumentiert Rimoldi und sie wollten eine Wählerschaft von links bis rechts ansprechen.
Die Wählerinnen und Wähler könnten sich plötzlich fragen, was die SVP für eine Partei ist.
Bleibt die Frage, ob die Listenverbindung mit Mass-Voll der SVP schadet. Er könne sich vorstellen, dass das Image der SVP leide, sagt Politologe Bochsler: «Die Wählerinnen und Wähler könnten sich plötzlich fragen, was die SVP für eine Partei ist, wenn sie politische Allianzen mit Verschwörungstheoretikern und Leuten eingeht, die an Nazi-Märschen teilnehmen. Das könnte dem Image der SVP insgesamt schaden.»
Trotzdem will die SVP an der Listenverbindung im Kanton Solothurn festhalten.