Bis 1943 waren beide Solothurner Ständeräte immer freisinnig. Bis 1952 hatte die FDP in der Kantonsregierung die absolute Mehrheit. In den 80er-Jahren lag der Wähleranteil noch bei über 40 Prozent. Nun aber ist der Freisinn auch in Solothurn nicht mehr die grosse, staatstragende Partei von früher. Ihr Ständeratskandidat Remo Ankli landete am Sonntag nur auf dem vierten Rang und hat sich aus dem Rennen genommen.
«Wir haben drei Mal mit hervorragenden Kandidaturen versucht, wieder in den Ständerat zu kommen», konstatiert Parteichef Stefan Nünlist. Nicht einmal mit dem amtierenden Regierungsrat Ankli ist es gelungen. Nun also springt die Partei über ihren Schatten und unterstützt den SVP-Kandidaten Christian Imark im zweiten Wahlgang. So hat es die Parteiversammlung am Dienstagabend entschieden.
Der letzte FDP-Ständerat war Rolf Büttiker. Der 73-Jährige hat die Glanzzeiten seiner Partei noch miterlebt. Nun meint er: Um die SVP komme man ganz einfach nicht mehr herum. «Dieses Verhältnis wie Katz und Hund zwischen FDP und SVP im Kanton Solothurn muss ein Ende haben», sagt der Doyen. «Es braucht einen Neuanfang in einer konstruktiven Zusammenarbeit.»
Dieses Verhältnis wie Katz und Hund muss ein Ende haben.
Noch vor vier Jahren klang es bei den Freisinnigen ganz anders. Christian Imark sei ein «rechtsnationaler Scharfmacher mit totalitärer Gesinnung», monierte der damalige FDP-Nationalrat Kurt Fluri. Nun unterstützt sie genau diesen Kandidaten offiziell. Ist der Solothurner Freisinn also politisch nach rechts gerückt?
Politische Differenzen bleiben bestehen
«Wir haben uns ja nicht mit der SVP verheiratet», kontert Parteipräsident Stefan Nünlist. Vor allem die Jungfreisinnigen fordern schon länger eine engere Zusammenarbeit mit der SVP. Aber auch deren Präsidentin Melanie Racine bestreitet einen Rechtsrutsch innerhalb der Partei. «Wir sind immer noch sehr liberal und wollen verhindern, dass die politischen Pole noch stärker werden. Aber wir grenzen uns klar ab, wenn wir nicht dieselbe Meinung haben.» Als Beispiel sei die Europa-Politik genannt.
Mit dem Eingeständnis, dass er Ständeratswahlen nicht mehr allein gewinnen kann, hat der Solothurner Freisinn eine neue Ära eingeläutet. Er hofft dabei offenbar, dass die SVP sich für die Wahlempfehlung dankbar zeigt. «Wir wünschen uns eine bessere Zusammenarbeit, mehr Lösungsorientiertheit und nicht nur Problembewirtschaftung», formuliert es Parteichef Nünlist.
Es ist jetzt an der SVP, unsere Hand anzunehmen.
«Die FDP hat die Hand ausgestreckt, es ist jetzt an der SVP, diese Hand anzunehmen. Der Umgang und der Ton der SVP muss konstruktiver werden», sagt Philipp Eng, der ehemalige Chef der Jungfreisinnigen. Und der unterlegene Ständeratskandidat Remo Ankli gibt indirekt zu, dass es kein Herzensentscheid ist. «Wir müssen die Grösse unserer Partei realistisch betrachten. Wir schaffen eine Majorzwahl nur noch in Allianzen, entsprechend müssen wir diese Allianzen nun suchen.»
Der Solothurner Freisinn hat seine historische Rivalität mit der SVP also beiseitegelegt. Zumindest für diesen zweiten Wahlgang in den Ständerat am 19. November. Ob sich dadurch die Politik im Kanton Solothurn nachhaltig verändert, das bleibt abzuwarten.
Noch ist die freundschaftliche Bande zwischen FDP und SVP sehr fragil. Noch ist das Verhältnis zwischen Freisinn und SVP in Solothurn nicht annähernd so unbelastet und eng, wie es in anderen Kantonen – wie zum Beispiel im Aargau – ist.