Kein Wunder, spricht Lega-Sprecher Daniele Caverzasio nach den eidgenössischen Wahlen vom letzten Sonntag von Katzenjammer: «Mit einem solch enttäuschenden Resultat hat niemand gerechnet. Wir müssen dringend Antworten finden.»
Antworten auf die Frage, wie es sein kann, dass der eigentliche Junior-Listenpartner, nämlich die SVP, der traditionellen Tessiner Rechtsbewegung Lega dei Ticinesi die Wählerinnen und Wähler abspenstig macht. Und zwar in einem Ausmass, dass die SVP bei den Nationalratswahlen die Lega punkto Parteistärke überholt hat.
Darum sitzen neu auch zwei Tessiner SVP-Männer in Bern und nur noch einer der Lega. «Das bedeutet, die Lega schafft es heute nicht mehr, Fans zu haben. Früher war das anders. Lega-Koordinator Attilio Bignasca sprach immer von den treuen Fans.» Heute fehlen die Fans und auch Lega-Identifikationsfiguren wie die Bignasca-Brüder. Der Bewegung fehlt eben, auch nach eigenen Angaben, das Personal, um die Fans zu begeistern.
Die Lega ist mit sich selbst beschäftigt
Dazu kommt, dass die Lega seit Jahren nach einer neuen Struktur sucht. Sie befindet sich in einem Selbstfindungsprozess. Damit ist sie nach innen gewandt – und überlässt so die Bühne der SVP, die in den letzten 15 Jahren ihren Wähleranteil im Tessin verdreifachen konnte. Politwissenschaftler Nenad Stojanovic stellt fest: «Zum ersten Mal hat die SVP die Lega wirklich überholt. Das ist eine richtige Veränderung der Tessiner Parteienlandschaft.»
Im Tessin habe die SVP als Nichtregierungspartei den Vorteil, dass sie voll den Oppositionskurs fahren könne, sagt Stojanovic. Die Lega ist in der Tessiner Regierung nämlich die stärkste Kraft.
Auf allen Ebenen gefordert
Angesprochen auf die Frage, warum die Volkspartei im Tessin der Lega den Rang abläuft, sagt der Politologe, dass die SVP ihre Exponenten besser diszipliniere. Gerade auch in Sachen Fremdenangst: «Dort waren gewisse Vertreter der Lega viel extremer als diejenigen der SVP. Bei der Lega durfte faktisch jeder machen, was er oder sie wollte.»
Die Lega dei Ticinesi habe in den letzten Jahren ihr zweites Steckenpferd neben der Migrationspolitik, nämlich die Sozialpolitik, vernachlässigt. Das sagt auch Lega-Sprecher Caverzasio. Die Bewegung ist also auf allen Ebenen gefordert. Inhaltlich und personell. Die Beweisprobe steht übrigens bald schon an, im Frühling, bei den Gemeindewahlen.